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Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Titel: Der katholische Bulle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian McKinty
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eingebracht. Warum er es auf sich genommen hatte, in den Hungerstreik zu treten, war mir ein Rätsel. Ein Lebenslänglicher oder einer mit zehn Jahren Haft vor sich, das konnte man ja verstehen, aber doch nicht einer, der in zwölf Monaten auf Bewährung rauskam. Vielleicht wollte er nur seine Position verbessern und würde zu denen gehören, die nach vierzehn Tagen »auf Drängen der Familie« wieder aufhörten.
    »Du hast fünf Minuten, Bulle«, sagte er. »Ich habe um halb neun ein Interview mit dem Boston Herald .«
    »Also gut. Ich möchte Ihnen als Erstes mein Beileid aussprechen, Seamus. Ich habe Ihre Frau gefunden«, erklärte ich.
    »Ex-Frau.«
    »Egal. Ex-Frau.«
    »Selbstmord, richtig?«, fragte er.
    »Sieht so aus.«
    »Blöde Kuh. Und schwängern hat sie sich auch noch lassen, richtig?«
    »Woher wissen Sie das?«, wollte ich wissen.
    Er lachte und blies Rauch aus. »Man hört so manches, und man weiß nicht woher«, sagte er.
    Seine Einstellung musste mal dringend überholt werden, aber das war nicht meine Aufgabe – ich musste sehr vorsichtig mit ihm umgehen. Jeden Augenblick konnte er sich umdrehen und in seine Zelle zurückmarschieren, und ich würde nicht das Geringste dagegen unternehmen können.
    »Wann haben Sie das letzte Mal von Lucy gehört?«
    Er schüttelte den Kopf. »Was weiß ich? Letzten November? Nachdem die Scheidung durch war. Sie meinte, ich würde ihr noch zweitausend Pfund für ihren Wagen schulden, aber das war völliger Blödsinn. Wir hatten uns geeinigt, dass meine Ma diesen winzigen Mini kriegen sollte. Ich schuldete ihr gar nichts.«
    Er drückte die Kippe im Aschenbecher aus, zündete sich die nächste an und sah auf die Uhr. »Ich hab gehört, sie ist nach Cork abgehaun«, fügte er noch an.
    »Und woher wissen Sie das?«, fragte ich.
    »Na, weil sie doch Postkarten an ihre Ma und ihre Schwester Claire geschickt hat. Ich mein, wer haut schon nach Cork ab, verdammt? So eine blöde kleine Kuh. Wenn du schon nen Braten in der Röhre hast, dann fährst du doch ins verfickte London und lässt es dir wegmachen.«
    »Ich hätte gedacht, Sie würden sauer sein, dass sie schwanger wurde, während Sie hier einsitzen?«
    »Ist mir doch scheißegal. Wir waren geschieden. Meinetwegen kann sie den beschissenen Prince Charles heiraten.«
    »Sie haben also seit Weihnachten nichts von ihr gehört?«
    »Nein«, erklärte er mit dünnlippiger Entschlossenheit.
    »Haben Sie sie jemals bedroht, Seamus?«
    »Einen Scheiß hab ich. Seit letztem Jahr habe ich keine zwei Sekunden daran verschwendet, an sie zu denken.«
    »Sie hätten also nichts dagegen gehabt, wenn sie sich mit jemand anderem eingelassen hätte?«
    »Bist du taub, Bulle? Ich hab doch schon gesagt, ist mir scheißegal.«
    Ich rieb mir das Kinn und sah Matty an, aber der hatte auch keine Fragen mehr.
    »Kann ich eine Zigarette schnorren?«, fragte ich.
    »Nur zu«, sagte er.
    Ich zündete mir eine Benson & Hedges an und gab Matty auch eine.
    »Wie kommt ein Mann darauf, sich zu Tode zu hungern?«, fragte ich.
    »Für Irland!«, verkündete Seamus lautstark.
    »Wissen Sie, was mein Friseur gesagt hat?«
    »Und was hat der verdammte Friseur gesagt?«
    »Er sagte, Nationalismus ist ein überholtes Konzept. Es handelt sich nur um ein Werkzeug der Kapitalisten, um die Arbeiter zu spalten und sie zu unterdrücken.«
    Seamus schüttelte den Kopf. »In einem freien Irland werden Katholiken und Protestanten, reich und arm, vereint sein!«, sagte er.
    »Und das glauben Sie wirklich? Das also ist in der Republik auch eingetreten?«
    Er stand auf. »Ich hab genug, Bulle. Ich hab mit wichtigen Leuten zu reden.«
    »Seamus, setzen Sie sich. Sie haben gesagt, Sie geben mir fünf Minuten. Also. Is neamhbhuan cogadh na gcarad; má bhíonn sé crua, ní bhíonn sé fada «, sagte ich in dem irischen Dialekt, mit dem ich aufgewachsen war.
    Das Gälisch verdutzte ihn, er blinzelte ein paarmal, setzte sich aber wieder.
    »Können Sie sich vorstellen, warum jemand Ihre Frau lieber tot sehen wollte?«, fragte ich.
    »Jemand hat sie umgebracht?«, fragte er, anscheinend wirklich überrascht.
    »Wir warten noch das Urteil des Untersuchungsrichters ab. Es sieht zwar aus wie Selbstmord, aber man kann nie wissen. Ich fragte mich nur gerade, ob jemand ihr den Tod wünschte.«
    Seamus schüttelte den Kopf, aber ich sah, dass er Zweifel hatte. »Ich glaube nicht«, meinte er schließlich.
    »Aber …?«, hakte ich nach.
    »Na ja«, sagte er, sah sich um und

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