Der katholische Bulle: Roman (German Edition)
nett sein können, wenn es nicht schafschissbraun gestrichen worden wäre. Die Haustür stand offen, also gingen wir einen Stock höher zur Nummer 4.
»Und jetzt?«, fragte McCrabban.
»Jetzt kommt Folgendes, altes Haus«, sagte ich und zog meinen Dietrich aus der Tasche.
Crabbie legte eine Hand auf meinen Arm.
»Sean, Moment mal! Wir können doch nicht einfach einbrechen!«
»Ich werde Ihren Protest im Logbuch vermerken!«, sagte ich mit gespieltem englischem Marineakzent.
McCrabban schüttelte den Kopf. Im protestantischen Ballymena ging so etwas einfach nicht. Es war eine Sache, ab und zu mal eine Stange Zigaretten von einem Para anzunehmen, aber das Haus eines Mannes war nun mal heilig. Es war ein einfaches Sicherheitsschloss, und in weniger als einer Minute war ich drin.
»Rühr nichts an«, mahnte ich.
»Ich geh da gar nicht erst rein«, erwiderte Crabbie schockiert.
»Doch, das tust du.«
»Tu ich nicht, verdammt.«
Ich schaltete das Licht mit einem Fingerknöchel an. Zwei kleine Zimmer mit einem sauberen Zweiersofa im Wohnzimmer, Beanbags, rot gestrichenen Wänden und ein paar gerahmten Boxerporträts: Ali gegen Frazier in den goldenen Tagen, Joe Louis gegen Max Schmeling im Yankee Stadium.
Außerdem gab es einen riesigen Fernseher, einen Betamax-Videorekorder und ein Dutzend Kassetten: Der Pate , Der Clou , Unheimliche Begegnung der dritten Art und so fort.
Shane hatte auch eine sensible Ader: In einer Art von Nachhall zu Hokusais Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji hatte er ein halbes Dutzend Wasserfarbenbilder des Kraftwerks Kilroot gemalt. Die letzten beiden waren gar nicht mal so schlecht, wenn auch der violette Sonnenuntergang ein wenig übertrieben wirkte.
Vor allem interessierte mich die Dreckwäsche und die Plattensammlung.
Erst die Wäsche: Unterhosen, T-Shirts, eine Jeans. Kein Blut.
Dann die Platten. Ich streifte ein paar Latexhandschuhe über und blätterte die Alben durch. Shanes Geschmack ähnelte meinem: David Bowie, Led Zeppelin, Queen, Police,Blondie, Ramones, Pink Floyd, die Stones. Was sagte das über uns beide aus?
»Hast du was gefunden?«, fragte Crabbie vom Hausflur aus.
»Keine Klassik. Keine Oper«, antwortete ich.
»Ich sehe von hier aus sein Bücherregal. Comics und Enid Blyton. Der Typ ist nicht sonderlich belesen.«
»Wir schauen uns erst mal richtig um, bevor wir Schlüsse ziehen.«
»Mach du mal. Ich halte Wache.«
Ich ging Schlafzimmer und Bad durch. Ich fand etwas Gras, einen Bogen LSD und ein paar Body-Builder-Magazine.
»Wir verschwinden«, sagte ich.
Wir ließen die .38er im Ballistiklabor in Cultra zurück und baten die Kollegen, die Waffe mit den Patronen bei Tommy Little und Andrew Young abzugleichen, dann fuhren wir heim.
In Carrick gabelten wir Matty auf.
Der freigelassene Perversling war ein gewisser Victor Combs, 41a Milebush Tower, Monkstown. Ehemaliger Lehrer, zur Zeit ohne feste Anstellung. Er war dabei erwischt worden, wie er im Park Sex mit einem anderen Mann gehabt hatte. Der andere – ein Siebzehnjähriger – hatte ihn der Vergewaltigung beschuldigt, und der Richter hatte ihm das abgekauft. Sah ganz so aus, als hätte man ihn reingelegt. Wir fuhren trotzdem hin.
Milebush Tower war noch einer dieser schissfarbenen viergeschossigen Betonblöcke, die in den Sechzigern und Siebzigern in den Sozialghettos von Ulster errichtet worden waren. Die Häuser waren feucht, kalt und anscheinend absichtlich lieblos. Wenn man sich den Schlüssel abholte, gab einem das Wohnungsbauamt wahrscheinlich auch gleich ein Informationsblatt über Selbstmord dazu.
Wir stellten den Land Rover ab und gingen zur 41 a.
Mr Combs war zu Hause. Er trug einen Bademantel und hörte klassische Musik, was unsere Neugier weckte.
Er war gedrungen, hatte nur noch wenige Haare auf dem Kopf und war etwa fünfundvierzig, sah aber zwanzig Jahre älter aus und ging von der Tür zum Sofa zurück am Stock.
Die Wohnung war so ordentlich, wie es in seiner Macht stand. Es gab Bücher und Schallplatten, und er hielt alles sauber. Er hatte eine Katze.
Ich ließ McCrabban den Vortritt und sah mich bei den Büchern und Schallplatten um.
»Was haben Sie in der Nacht des 12. Mai gemacht?«
»Ich war hier.«
»Die ganze Nacht?«
»Ja.«
»Kann das jemand bezeugen?«
»Worum geht es eigentlich?«
»Kann jemand bezeugen, dass Sie tatsächlich die ganze Nacht hier waren?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Haben Sie ein Auto, Mr. Combs?«
»Nein.«
»Kennen Sie einen
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