Der Kaufmann von Lippstadt
an. Nach dem Essen tut das gut. Am liebsten wäre ihm, Overkamp, wenn Elisabeth sofort aus Lippstadt verschwinden würde. Doch die Höflichkeit verbietet, den Geschäftsfreund heimzuschicken. »Wenn dieser sintflutartige Regen aufhört und es die Straßenverhältnisse zulassen, verlasse ich Lippstadt«, meint Matthiesen und fügt hinzu: »In Begleitung Ihres reizenden Fräulein Tochter.«
34 Vgl.: St.R. A (Chalybaeus) A 506. Designation des Schadens, so durch das den 2ten hujus aufgeschlagene englische Pulvermagazin an den Kirchen und Gebäuden verursachet worden ist. [1764 Juni 2]
35 Vgl.: Möller: Alte Nachrichten von Lippstadt . 1788. [1973]. S. 344: »Anno 1756 als die Häuser von Nr. 1 bis Nr. 542 nummeriert wurden […]« Das fiktive Overkamp’sche Haus erhält eine fiktive Nummer.
36 Scholand: Lippstadt einst und jetzt . 1985. S. 74.
37 Die Summe orientiert sich an den im Jahre 1782 taxierten Häusern. Vgl.: Lippstadt. Beiträge zur Stadtgeschichte . Im Auftrage der Stadt. Hg. v. Wilfried Ehbrecht. Lippstadt, 1985. Bd. 2. S. 511.
38 Vgl.: St.R. A (Chalybaeus) A 505, S. 6 und 7.
39 Zum Verhör vgl.: St.R. A (Chalybaeus) A 505.
12. April 2010
Der Professor hat die Einführung in die Geschichtswissenschaft nicht pünktlich beendet. Er ist bei der Frage ›Was ist Aufklärung?‹, hängen geblieben und hat immer wieder Immanuel Kant zitiert:
»Sapere aude – Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen«, hat er in den Hörsaal gerufen. »Sapere audete! Haben auch Sie – liebes Erstsemester – Mut, sich Ihres Verstandes zu bedienen. Denken Sie mit, seien Sie kritisch und arbeiten Sie hart!«, hat er zum Schluss gefordert. »Und lesen Sie die ersten beiden Kapitel aus unserem Buch. Gewöhnen Sie sich gut ein. Bis zur nächsten Woche!«, hat er gerufen und ist gegangen.
Annika Austerschmidt packt eilig ihre Unterlagen zusammen und läuft zur Bushaltestelle am Südring. Die Unilinie ist schon weg, doch die Linie 4 – Heinz Nixdorf Wendeschleife – fährt auch zum Hauptbahnhof und kommt in drei Minuten. Sie nimmt ihr Handy aus der Tasche und ruft Oliver in Lippstadt an. »Hi, ich bin noch in Paderborn, der nächste Zug nach Lippstadt fährt erst in 35 Minuten. Holst du mich dann ab?«
»Ja, mach ich. Du kommst auf Gleis 1 an, oder?«, vergewissert sich Oliver.
»Genau, bis gleich dann«, verabschiedet sich Annika.
»Bis gleich. Ich freue mich.« Oliver legt auf und steckt sein Handy in die Hosentasche.
In Lippstadt geht Oliver Thielsen schnell durch die Unterführung am Bahnhof, die zu den Bahnsteigen führt. Die weißen Kacheln sind beschmiert, es riecht nach Urin. Das Licht ist zu grell. Auf den Stufen zu Gleis 1 liegt Müll. Viele der Sitzbänke an beiden Gleisen sind abgeschraubt und werden anscheinend nicht ersetzt. Lange Zeit war auch der einzige Laden im Bahnhofsgebäude geschlossen. Jetzt gibt es einen kleinen DB-Store, wo man das Nötigste kaufen kann. Eine kaum verständliche Durchsage: »Der Z… in Richt… …nster hat ca. fünf Minuten V…ung.«
Früher gab es hier in Lippstadt einen schönen Bahnhof. Als er in die Jahre gekommen war, bot die Deutsche Bahn an, ein neues und modernes Bahnhofsgebäude zu errichten. 1967 wurde das alte Gebäude abgerissen und mit dem Neubau begonnen. Und jetzt ist das Gebäude seit langem da – zum Leidwesen vieler Lippstädter. Wieder ein in die Jahre gekommenes Bahnhofsgebäude im 70er-Jahre-Stil. Heruntergekommen. Hässlich.
Der Zug fährt ein und hält. Annika steigt aus und winkt schon von Weitem.
»Hi, schön, dass du da bist.« Oliver umarmt sie zur Begrüßung.
»Hi, das ist ein Tag heute! Erst überzieht der Prof die Vorlesung, dann verpasse ich den Bus, und der Zug hat Verspätung. Was machen wir denn jetzt?«, fragt Annika und macht einen gehetzten Eindruck.
»Ich dachte, wir gehen ein bisschen, und ich zeige dir die schönsten Ecken Lippstadts«, schlägt Oliver vor.
»Der Bahnhof gehört hoffentlich nicht dazu«, meint Annika und sieht sich um.
»Nein, bestimmt nicht!« Mit einer abwertenden Handbewegung tut Oliver das Thema ›Lippstädter Bahnhof‹ ab. »Wenn du in schöner Umgebung in Lippstadt ankommen willst, musst du mit dem Kanu über die Lippe fahren«, rät er Annika scherzhaft. Mit einer einladenden Geste fordert er sie auf, ihm zu folgen. »Wir haben hier verschiedene Kanu-Strecken entlang der Lippe. Du kannst dir dann ein Kanu mieten und in die Stadt paddeln. Das macht Spaß.«
»Wo fließt denn die
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