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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Maria Fust
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Lippe?«, fragt Annika.
    »Der größte Teil verläuft durch die nördliche Kernstadt. Aber nicht weit von hier ist die südliche Umflut. Am Samstag hat noch in der Zeitung gestanden, dass die Umflut ein Stück des Festungsgrabens ist, und jetzt sollen Bäume gepflanzt werden, damit der Verlauf der Festungsmauer sichtbar wird. Aus der Luft wäre der alte sternförmige Verlauf wieder erkennbar« 40 , berichtet Oliver. Seit er in Lippstadt ist, liest er jeden Tag die Lokalteile der beiden regionalen Zeitungen Der Patriot und ›Lippstädter Tages Zeitung‹, kurz LTZ .
    »Ich kenne das noch aus dem Geschichte-Leistungskurs. Im 17. und 18. Jahrhundert waren solche Festungen immer sternförmig«, erinnert sich Annika. In einem Exkurs hatte sie viel über die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts und die vielen kleinen Staaten gelernt, die später Deutschland werden würden.
    »Lippstadt hat noch ganz viel Altes zu bieten, weil es im Zweiten Weltkrieg kaum zerstört wurde«, berichtet Oliver auf dem Weg zur Langen Straße.
    »Oh, das war in Paderborn ganz anders. Die ganze Stadt lag in Trümmern.« Annikas Oma hatte die beiden großen Bombenangriffe im Zentrum von Paderborn erlebt und immer wieder davon erzählt.
    »Schau, das hier ist unser Bernhardbrunnen. Bernhard II. hat 1185 diese Stadt gegründet, und deswegen feiern wir 2010 das 825-jährige Jubiläum. Aber lies mal, was da draufsteht«, fordert Oliver sie auf.
    » Die dankbare Vaterstadt ehrt ihre im Weltkrieg 1914-20 gefallenen Soehne mit diesem Denkmal. Der Erste Weltkrieg 1914 bis 1920? Das ist ja ganz was Neues. Bisher kannte ich nur die Daten von 1914 bis 1918«, wundert sich Annika.
    »Ja, das ist natürlich auch so«, bestätigt Oliver. »Wie diese falsche Jahreszahl zustande kam, kann heute niemand erklären. Vielleicht sind die letzten Verwundeten aus Lippstadt 1920 verstorben«, mutmaßt er.
    »Oder die letzten Gefangenen sind zurückgekehrt«, rät Annika. »Nein, ich weiß es: 1920 ist der Friedensvertrag von Versailles in Kraft getreten und hat den Ersten Weltkrieg offiziell beendet. So kann es gemeint sein«, sagt Annika. »Was ist das für eine Kirche?«, fragt sie, als sie sich der Spielplatzstraße nähern.
    »Eine ganz besondere. Vor drei Jahren hat man angefangen, in der Jacobi-Kirche auch Kulturveranstaltungen zu machen. Aber es werden auch noch Gottesdienste dort gefeiert. Erzähl doch mal, wie war es am ersten Tag in der Uni?«, erkundigt sich Oliver.
    Sie schlendern über die Lange Straße, Lippstadts Haupteinkaufsstraße, in Richtung Norden.
    »Es ist schon schwierig, sich in der Uni zurechtzufinden. Erst sucht man den Hörsaal, dann einen Sitzplatz. Aber das richtige Chaos ist ausgebrochen, als sich alle in eine Anwesenheitsliste eintragen sollten. Morgen habe ich den ganzen Tag Seminare. Da kommt was auf mich zu«, befürchtet Annika und erzählt weiter von ihrem Tag.
    »Das wird schon werden. Als ich angefangen habe zu studieren, war es bei mir ähnlich«, spricht Oliver ihr Mut zu. »Wenn wir in der Poststraße einen Kaffee trinken wollen, müssen wir hier links abbiegen. Hier das Eckhaus ist übrigens das ›Haus Köppelmann‹. Dort hat Friedrich der Große schon residiert. Aber damals hieß das Haus noch nicht ›Köppelmann‹. In der Poststraße siehst du noch alte Fachwerkhäuser. Das mit dem Bastelladen und da vorne die Nr. 16 auch. Sollen wir uns nach draußen vor das Café setzen?«, fragt Oliver und weist mit der Hand auf die vielen Tische und Stühle, die unter großen Sonnenschirmen auf der Poststraße stehen. Dieser Teil der Straße gehört zur Fußgängerzone, genau wie die Lange Straße.
    »Nein, lieber nicht. Drinnen am Fenster ist noch Platz«, meint Annika. So warm ist es nicht, als dass sie es vor der Tür aushalten würde.
    »Okay.« Oliver gibt nach. »Wo liegt denn der Schwerpunkt bei deinem Studium?«, fragt er Annika.
    »Auf der frühen Neuzeit. Das ist in etwa die Zeit vom Spätmittelalter bis zum Ende der Moderne, also Ende des 18. Jahrhunderts. Französische Revolution. Erst wollte ich Neueste Geschichte nehmen, aber …«, Annika wird unterbrochen.
    »Was darf ich Ihnen bringen?«, fragt die Kellnerin.
    »Einen Cappuccino bitte«, bestellt Annika.
    »Für mich auch, danke«, sagt Oliver. »Weißt du, ich finde es richtig nett, dass du heute gekommen bist. Da können wir einfach mal ein bisschen reden. Am Samstagabend in Paderborn ging das ja kaum bei der lauten Musik. Aber hör mal, im Radio läuft wieder

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