Der Kaufmann von Lippstadt
von den beiden Jungen, die am Festungswall das Rindvieh gehütet haben, gekommen sein, weil diese dem Bäckerburschen Thiemeyer, der bei dem ehrenwerten Ratsherrn Buddeberg im Dienste steht, Pulver zum Kauf angeboten haben. Entspricht das der Wahrheit?«
»Ja, gnädiger Herr Bürgermeister«, antwortet Plange ehrfürchtig. »Die Burschen hatten Dreck am Stecken. Das weiß doch jeder in Lippstadt. Das stand denen doch auf der Stirn geschrieben. Den ganzen Tag lungerten sie rum und lagen im Gras«, regt er sich auf.
»Haben Sie mit eigenen Augen gesehen, dass die beiden toten Burschen mit dem jungen Thiemeyer gesprochen haben?«, fragt Dr. Rose.
»Nein, nicht ich selbst, Herr Bürgermeister«, antwortet Plange. »Aber der …«
»Wer?« Stadt-Syndicus Clüsener war aufgesprungen. »Wer hat das behauptet?«, fragt er mit lauter Stimme.
»Buersmeyer. Bernhard Buersmeyer hat es mir im Vertrauen gesagt«, antwortet Plange zögerlich.
»Im Vertrauen? Und Sie laufen durch die Stadt und stellen solche Behauptungen auf?« Clüsener kann es nicht fassen. »Das darf doch nicht wahr sein. Als ob wir nichts anderes zu tun hätten, als unsere Zeit mit einem Wichtigtuer zu verbringen, der auch noch das Vertrauen eines anderen missbraucht. Dr. Rose, wir vergeuden unsere Zeit!«, schimpft Clüsener.
»Herr Clüsener, bitte gehen Sie doch eben hinüber zum Overkamp’schen Kontor und bringen Sie Bernhard Buersmeyer her. Er steht doch dort im Dienst? Buersmeyer hat eine Menge zu erklären. Herr Plange, Sie sind für heute entlassen.« Dr. Rose nickt und wendet sich seinen Akten zu.
Plange geht im Rathaus ohne ein Wort am Stadtdiener und Clusepförtner Küchenmeier vorbei, doch sein abschätziger Blick spricht Bände. Sieh an, sieh an, denkt Küchenmeier. Diese Vorladung habe ich dem Schandmaul Plange zu verdanken. Was der für Gerüchte verbreitet! Heimzahlen sollte man es ihm!
»Rudolph Küchenmeier, bitte treten Sie ein«, fordert Bürgermeister Dr. Rose. »Wir beginnen schon. Stadt-Syndicus Clüsener ist noch unterwegs, kommt aber unverzüglich zurück. Ich werde Sie zu dem Unglücksfall am Pulvermagazin am Süder Tor befragen und nach der Ursache für dieses Unglück suchen. Sie stehen unter Eid und müssen die Wahrheit sagen! Haben Sie das verstanden?«
»Ja, Herr Bürgermeister.« Küchenmeier nickt leicht. Er fühlt sich sichtlich unwohl bei dieser Befragung.
»Ist es richtig, dass Johann Diethrich Musculus Ihr Viehhirte war?«, beginnt Dr. Rose.
»Ja, Herr Bürgermeister«, antwortet Küchenmeier knapp.
»Wie alt war der Junge?«
Es klopft leise. Stadt-Syndicus Clüsener betritt den Raum, nickt dem Clusepförtner zu und setzt sich ans Pult, um Küchenmeiers Aussage aufzuschreiben.
»Wie alt war der Junge?«, wiederholt Dr. Rose seine Frage.
»Zwölf oder 13 Jahre, Herr Bürgermeister. So genau weiß ich es nicht. Ich hatte nie viel mit dem Burschen zu schaffen. Der Junge hat das Vieh gehütet und keine Schwierigkeiten gemacht – bis jetzt«, berichtet Küchenmeier.
»Hat Ihr Hirte das Vieh in der Nähe des Unglücksortes gehütet?«, setzt Dr. Rose die Befragung fort.
»Soweit ich weiß, ja, Herr Bürgermeister«, antwortet Küchenmeier pflichtgemäß.
»Hat sich der Bursche mit Pulver beschäftigt und dergleichen bei sich getragen oder gar im Haus aufbewahrt?«
»Nein, Herr Bürgermeister. Ich habe nicht bemerkt, dass Johann gemahlenes Pulver bei sich getragen hat. Er hat nicht damit hantiert«, gibt der Clusepförtner zu Protokoll.
»Hat der Junge Tabak geraucht? Hat er Rauchgeschirr besessen?«, fragt Stadt-Syndicus Clüsener aufgeregt.
»Nein, mein Bursche hat niemals geraucht und auch kein Tabak-Geschirr besessen. Er hat nicht einmal andere Kleidung gehabt als die, die er am Leibe trug«, erklärt Küchenmeier. »Der Junge hat in den letzten Tagen mit seinem Kameraden Hermann das Rindvieh am Wall und in den Festungswerken gehütet und …«
Clüsener springt auf. »In den Festungswerken?«, unterbricht er. »In den Festungswerken?«
»Ja, dort. Jeder hat von Herrn Major von Drach die Erlaubnis dazu gehabt«, erläutert Rudolph Küchenmeier. 38
»Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?«, erkundigt sich Bürgermeister Dr. Rose. »Wenn nicht, dürfen Sie gehen.«
Auf der Treppe stampft Bernhard Buersmeyer wutschnaubend an Rudolph Küchenmeier vorbei und betritt ohne Aufforderung die Amtsstube. Das gibt Ärger, denkt Küchenmeier und überlegt, was der Buersmeyer mit dieser unangenehmen und
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