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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Maria Fust
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Annika!«, ruft er. »Ich habe die große Ehre, dir den Lippstädter Bürgerbrunnen mit seinen beweglichen Bronzefiguren präsentieren zu dürfen! Darf ich vorstellen: Das ist Bernhard II., der Edle Herr zur Lippe. Hier haben wir Friedrich den Großen. Er war öfter in Lippstadt als du! Drei Mal … Jetzt muss ich aus der Broschüre ablesen: Dieses ist der Bürgermeister Friedrich Bertram. Er brachte die Eisenbahn nach Lippstadt und ist – wenn du so willst – für die Art und Weise deiner Anreise verantwortlich, denn ohne ihn wäre Lippstadt nicht ans Schienennetz angeschlossen worden, sondern Erwitte, und du hättest nicht mit dem Zug kommen können. Die Nächste ist Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel. Und hier, das ist Herr Dr. Johannes Westermann. Er brachte die Reformation nach Lippstadt. Und hier, ein Grimmelshausen-Held: Simplizius Simplizissimus, der hier angeblich gegen seinen Willen verheiratet wurde. Stell dir vor, es heißt, er sei in flagranti vom Vater seiner Liebsten erwischt worden. Der habe sofort den Pfarrer geholt, und schon sei Simplizissimus verheiratet gewesen. Wenn heute von ›Lippstädter Heirat‹ gesprochen wird, meint man die auf ihn hier zurückgehende Zwangsheirat. 42 So, kommen wir zu den drei letzten Bronzefiguren; sie stehen für die drei Stände, die in der Stadt vertreten waren: die Kaufleute, die Ackerbürger uuuund die Handwerker!« Oliver wird immer lauter.
    »Du spinnst. Die Leute gucken schon alle.« Es ist Annika etwas unangenehm, dass er so viel Aufhebens macht. Aber es fühlt sich auch gut an, dass er sich diese Mühe ihretwegen gibt.
    »Die sind nur neidisch«, meint Oliver. »Lass uns hier die Marktstraße entlanggehen, dann kommen wir an einem Ackerbürgerhaus vorbei. Ich werde dir höchstpersönlich aus der Broschüre vorlesen«, verspricht er mit einem Strahlen im Gesicht.
    »Sehr freundlich. Aber du liest doch nicht alles vor?« Annika ziert sich; natürlich zum Spaß, denn sie fühlt sich in Olivers Gegenwart sehr wohl. Sie stehen vor dem Ackerbürgerhaus, Marktstraße 24. Oliver hält seinen Rücken übertrieben gerade, wie ein Schauspieler auf der Bühne. Die Broschüre hält er in der linken Hand am ausgestreckten Arm. Mit der rechten Hand macht er eine feierliche Geste, um das historische Gebäude zu präsentieren. Jede seiner Bewegungen ist überdeutlich. Es macht ihm Freude, sich für Annika so ins Zeug zu legen.
    »Nein, ich lese nicht alles vor. Nur einen Satz. Hör zu: › Ackerbürger waren bis ins 19. Jahrhundert Bürger der Stadt, die teilweise oder überwiegend von der Landwirtschaft lebten und ihre meist angepachteten Felder und Wiesen vor den Stadttoren bewirtschafteten.‹ 43 «
    »Also Bauern«, fasst Annika zusammen.
    »Ja. Komm, wir überqueren jetzt die Cappelstraße und gehen zur Stiftsruine«, schlägt Oliver vor.
    »Was sagt deine Broschüre zur Stiftsruine?«, will Annika wissen.
    »Sie sagt, 1831 wurde die Kleine Marienkirche – so hieß die Ruine, als sie noch keine war – wegen Einsturzgefahr geschlossen. Heute gilt sie als eine der schönsten Kirchenruinen Westdeutschlands«, referiert Oliver. Nachdem sie die eindrucksvolle Kulisse bewundert haben, fragt er: »Wie wäre es mit einem Eis? Wir können unseren Rundgang so machen, dass wir an einer Eisdiele vorbeikommen. Also, wie wär’s?«
    »Gerne«, freut sich Annika.
    »Gut, dann machen wir uns auf den Weg. Wenn wir hier durch diese Gasse gehen, kommen wir zur Soeststraße. Da ist das Stadtarchiv. Auch dieses Gebäude hat etwas Besonderes: Früher war eine Druckerei drin. 1981 hat man das Haus saniert und dabei ein sogenanntes Steinwerk gefunden, also einen Gebäudeteil aus Stein. Das war früher ganz selten. Meist baute man Fachwerk. Man geht davon aus, dass dieser Teil aus dem 15. Jahrhundert stammt«, berichtet Oliver mit der Broschüre in der Hand.
    »Warum baute man aus Stein, wenn Fachwerk üblich war?«, will Annika wissen.
    »Steinwerke dienten als Lagerort für teure Waren, zum Schutz vor Feuer und Diebstahl«, antwortet Oliver. Sie gehen am Archiv vorbei, überqueren die Cappelstraße und stehen vor der Eisdiele an der Kreuzung. »Jetzt setzen wir uns aber nach draußen«, beschließt er. »Hier kann ich dir so viel erzählen.«
    »Gut, ich höre«, nimmt Annika das Gespräch wieder auf, als sie einen Sitzplatz gefunden haben.
    »Lass uns erst bestellen. Was möchtest du?«, fragt Oliver.
    »Ich nehme einen Eiskaffee«, meint Annika.
    »Okay, wir nehmen einen Eiskaffee

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