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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Maria Fust
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und einen Früchtebecher«, sagt Oliver zum italienischen Kellner und führt seine Lippstadt-Informationen weiter aus. »Wir sitzen hier auf dem Zurhelle-Platz. Vor ein paar Jahren hat diese Kreuzung hier, also Post- bzw. Soeststraße und Cappelstraße, ihren Namen bekommen. Gegenüber, da, wo jetzt ›Alte Reichsbank‹ steht, war früher das Stammhaus der Familie Zurhelle. Es waren reiche Kaufleute, Bankiers und Politiker«, berichtet er.
    Annika kann ihm kaum noch zuhören. Es sind so viele Details, die Oliver ihr stolz erzählt, als wäre er der Lippstädter schlechthin. Ein Urgestein. Ihre Gedanken schweifen ab. »Was ist jetzt eigentlich mit dem gefundenen Sprengstoff an der Lippe?«, fragt Annika und verrät, dass sie Oliver nicht mehr zugehört hat. »Das ist ja schon spannend. Wir werden womöglich evakuiert«, spinnt sie den Faden der Ereignisse weiter.
    »Oder es darf niemand die Stadt verlassen, bis geklärt ist, wer das Zeug in die Stadt gebracht hat. Dann bleibst du bei mir …«, wünscht sich Oliver. Lächelnd schaut er ihr in die Augen.
    »Ja, das würde dir gefallen. Aber mal im Ernst. Könnte es ein Terror-Anschlag sein?«, überlegt Annika.
    »In Lippstadt?«, ruft er gespielt bestürzt. »In Lippstadt doch nicht! Die Stadt ist von der wichtigsten und stärksten Festung zwischen Rhein und Weser zu einer wunderschönen, aber recht unbedeutenden Stadt geworden. Lippstadt hat knapp 71.000 Einwohner. Die größte Stadt im Kreis Soest. Hier werden keine Terroranschläge verübt. Ich gehe später in die Redaktion der LTZ . Wenn es schon im Radio läuft, wissen unsere Lokalreporter, was los ist. Wie lange kannst du bleiben?«, erkundigt er sich.
    »Nicht mehr lange. Ich habe ja erzählt, dass ich morgen einen anstrengenden Tag vor mir habe. Lass uns zahlen und zum Bahnhof gehen«, beschließt Annika.
    »Wie schade!« Oliver spielt den Untröstlichen.
    Sie gehen die Cappelstraße in Richtung Süden entlang. Oliver erzählt ihr, dass dort das Haus Nr. 44 abgerissen wurde und man unerwartet zwei historisch wertvolle Eichenholz-Decken aus dem 17. Jahrhundert mit wunderschöner Malerei gefunden hat. In Lippstadt gebe es viel Deckenmalerei zu besichtigen, weil noch etliche Häuser aus der Zeit erhalten seien. Sein Lippstädter ›Fachwissen‹ hat Oliver sowohl aus den Lokalteilen der LTZ als auch aus Artikeln in Der Patriot 44 , und er hat an mehreren Stadtführungen teilgenommen, die in diesem Jahr wegen der 825-Jahr-Feier vermehrt stattfinden.
    Am Bahnhof verabschieden sie sich. Annika fährt mit dem Bus nach Paderborn zurück, weil die Bahnstrecke wegen des Bombenfundes gesperrt ist. Der Busfahrer hält in jedem Dorf und an jeder Milchkanne.
    Oliver will herausfinden, was es mit dem Sprengstoff auf sich hat, denn schließlich hat er Annika versprochen, ihr davon zu berichten. Dass er noch weit mehr in Lippstadts Vergangenheit sucht, soll sie vorerst nicht wissen. Er schließt sein Rad neben der Radstation am Bahnhof auf und fährt in die Redaktion der LTZ .

    »Was ist denn an der Lippe los?«, fragt Oliver den Chefredakteur, als er in der Redaktion angekommen ist. »Ich habe es nur so halb im Radio gehört.«
    »Sie haben Sprengstoff gefunden. Beim Baggern. Wenn du am Jahnplatz unter der Unterführung hergehst, kommst du in die ›Stiftsmersch‹. 45 Das ist der Bereich, wo der Stadtfluss in die Auenlandschaft übergeht. Da wird im Moment am meisten gebaggert. Renaturierung. Naherholung für Menschen und damit es den Tieren, Pflanzen – und sogar dem Wasser!– besser geht«, antwortet der Chef abfällig.
    »Findest du das nicht gut?«, erkundigt sich Oliver.
    »Doch, muss man ja. Aber was das kostet! Lippstadt hat ohnehin kein Geld mehr.« Der Chefredakteur schüttelt den Kopf.
    »Na ja, ist aber doch auch Hochwasserschutz«, beschwichtigt Oliver.
    »Ja, ja, du hast ja recht. Auf jeden Fall ist mal wieder was los in Lippstadt. Da gibt es was zu schreiben. Feuerwehr und Ordnungsamt haben großräumig abgesperrt. Udener Straße, Bückeburger Straße, Hellinghäuser Weg, Jahnplatz, alles dicht. Auch die Zugverbindung wurde unterbrochen. Am Bahnhof ist tote Hose – noch mehr als sonst. Und die Anwohner sind evakuiert worden. Das hat’s hier noch nie gegeben.«
    »Wo kommt der Sprengstoff denn her?«, fragt Oliver.
    »Das weiß ja keiner. Jetzt kommen die Experten, halten den ganzen Betrieb auf und machen einen auf schlau.«
    »Haben die dir was getan?«
    »Ach, die …« Der Chefredakteur winkt ab und

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