Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
Vom Netzwerk:
wie die schweren, eisenbeschlagenen Flügel der Tore donnernd ins Schloss fielen. Im Nu verwandelte sich das unauffällige Haus in der Vorstadt in eine Festung. Die Fenster der Außenseite wurden mit schweren Läden verschlossen, die nur Schießscharten freiließen, die Dächer wurden mit armbrustbewehrten Kutten bemannt.
    Auric sah sich um und zählte. Er kam auf sechzehn Kutten ihrer Truppe, die in den geschützten Innenhof des Quartiers zurückgekehrt waren. Fünf von ihnen waren bei dieser Mission ums Leben gekommen.
    Aus dem Torweg hörte man nach einiger Zeit schwere Schläge, dumpfes Poltern. Die Verfolger des Einen Weges hatten sie bis hierhin verfolgt und versuchten nun das Tor mit Äxten einzuschlagen.
    „Wahnsinn. Das ist Wahnsinn“, hörte Auric Schwert murmeln.

    Unter dem Quartierhaus der Kutte gab es tatsächlich einen unterirdischen Gang, der sie auf dunklen Wegen mit zahlreichen Kehren und Verzweigungen in den Keller eines normalen Bürgerhauses brachte. Dessen Bewohner schienen von ihrem Auftauchen keineswegs überrascht zu sein. Im geschlossenen Wagen der Familie fuhr man Berunian und ihn zu einem Treffpunkt in einer einsamen Gasse, wo sie in einen Wagen der Kutte umstiegen und zum Auric bereits bekannten Eingang zum Sitz der Kutte in der Koneardäischen Altstadt gebracht wurden.  
    Hier wurde Auric von der Vikarin getrennt. Er fühlte sich nach all den überstandenen Ereignissen verwirrt, umhergeführt von gesichtslosen Kutten, umgeben von anderen, identisch aussehenden, ebenfalls gesichtslosen, die geschäftig umher eilten. Er wollte Klarheit. Er wollte Erklärungen. Er wollte Silgenja sprechen.
    Man brachte ihn stattdessen in einen sparsam aber nicht unfreundlich eingerichteten Raum, wo man ihn allein ließ, damit er sich ausruhen konnte. Er legte sich auf das Bett, wusste aber, dass er keinen Schlaf finden würde. Zu viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf.
    Er lag da, starrte mit offenen Augen zur Decke und lauschte auf die Geräusche im Haus. Etwa nach ein, zwei Stunden erhob sich plötzlich Lärm in den Gängen. Er sprang auf, ging zur Tür, lauschte am Türblatt; bei seinem ersten Versuch, die Tür zu öffnen, hatte sie sich als verschlossen erwiesen. Er hatte den Eindruck einer aufflammenden Unruhe innerhalb des Gebäudes, hörte die Schritte hastig eilender Gruppen von Leuten auf den Gängen, unbestimmbare, durch Entfernung und Hall gedämpfte Rufe von irgendwo aus entfernten Winkeln des Hauses. Eine vage Aufregung war in den Bienenstock nüchterner Flure und Gänge gefahren. Sie flatterte empor, klang hohl und hektisch hochfahrend durch Schächte und Kammern wider, strebte nach außen und zerfaserte zu den Rändern hin ins Ungewisse hinein.
    Dann wurde es wieder still im Haus der Kutte.  
    Auric lief zwischen Tisch und Fenstern auf und ab, getrieben von Grübeleien und Mutmaßungen, aber der Blick die Straße hinauf und hinab gab ihm keinen Hinweis auf das, was vorging.
    Die Morgendämmerung kroch über die Dächer zum Fenster herein, als es an der Tür klopfte und eine Kutte das Zimmer betrat. Sie zog ihre Kapuze vom Kopf und Auric erblickte zum ersten mal seit langer Zeit den unvermummten Silgenja, sein leicht ergrauendes Haar, das auf jene praktische, unmodische Art kurz geschnitten war, die Landschaft von Falten und Runzeln auf seinen Zügen, die von einer diszipliniert energischen Natur zu einer entschlosseneren, jugendlicheren Miene gestrafft wurde. Doch jetzt sah Silgenja müde aus, abgespannter als Auric ihn in Erinnerung hatte. Er setzte sich auf einen Stuhl lehnte sich zurück und trommelte nervös mit den Fingern auf der Tischplatte.
    „Warum haben Sie mir verschwiegen, dass es sich bei dem Aussteiger um Vikarin Berunian handelte?“, fragte Auric ihn ohne Umschweife.
    Silgenja blickte ihm gerade in die Augen. „Vielleicht hatte ich Angst, dass sie ablehnen würden.“
    „Vielleicht? Und trotzdem vertrauen Sie mir in anderen Dingen ohne Vorbehalt.“
    „An ihrer Loyalität gegenüber dem idirischen Staat besteht für mich kein Zweifel“, meinte Silgenja mit matter Geste. „Es ist nur immer unsicher, was eine solche Loyalität mit Menschen macht. Vielleicht hätten Sie es für besser für Idirium gehalten, wenn die Vikarin für immer verschwunden geblieben wäre. Was weiß ich.“ Wieder die gleiche matte Geste.
    „Zumindest hätte die Wahrheit zu einer Menge Fragen meinerseits geführt“, gab Auric zurück. „Wie kann es sein, dass man jemanden wie die Vikarin so

Weitere Kostenlose Bücher