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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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„dem, was noch kommen soll“.
    Das war sie also, die Gefahr, die drohte, wenn man zum „Politiker“ wurde.
    Er hatte auf diesem Feldzug zwei Aufgaben. Die eine war von seinen Vorgesetzten an ihn ergangen, die zweite von diesen Menschen hier, die hier im Kasernenhof vor ihm angetreten waren.  
    Jenen gegenüber war er mit Rang und Amt verantwortlich, diesen gegenüber mit seinem Leben. Morgen würden sie alle zusammen die Schiffe besteigen und sich auf die Reise nach Norgond begeben.

    Jenseits der Straße des Sandarian schlug der Sturm zu.
    Kaum segelten sie nicht mehr im Windschatten der öden Landkette des Bleichen Walls, der die Inseln und Gewässer des Meanardischen Meeres vom äußeren Ozean trennte und vor seinen größeren, elementareren Gewalten abschirmte, da brach über die weite Wasserfläche dahinrasendes Toben mit ungebremster Macht über sie herein.
    Das Meer war ein Maul kochender Gischt vor dem Fauchen des Sturms. Aus den sich hochwiegenden Hängen schiffshoher Wellentäler bleckte sie gründurchfrostete, eiseszornige Tiefe an. Die anderen Schiffe waren dem Blick verloren hinter den stampfenden, sich bäumenden Ungetümen der Wogenkämme. Masten, Teile des Rumpfes der Schwesterschiffe warf es manchmal hoch in die Sicht, bevor sie wieder in das schäumend tobende Tal hinter dem Wall der Wellenberge zurück stürzten.
    Der arme Hubbarb hatte seinen Platz an der Reling verlassen müssen, wo er seit ihrem ersten Erreichen des offenen Meeres sein ganzes Elend aus seinen Eingeweiden hervor dem Meer übergeben hatte. Er litt jetzt unter Deck mit dem kalten Schweiß der Todesnot in einen Kübel hinein.
    Drei Stunden prügelte der Sturm mit höllenfauchender Raserei auf das Meer um sie herum ein. Dann brach seine Urgewalt, und er wütete nur noch. Auric band sich an der Reling des Bugs fest und zählte zwischen Güssen auf ihn herabklatschenden Salzwassers die Schiffssichtungen ringsherum. Es schien, als hätten sie alle miteinander unglaubliches Glück gehabt. Wenn er nicht Schiffe in dem auf- und abschwappenden Schäumen doppelt gezählt hatte, dann hatten sie keine einzige der Karacken ihrer Flotte verloren. Wenn das kein gutes Omen für ihren Feldzug war. Er kämpfte sich mühsam über schwankendes, schlüpfriges, sturmgepeitsches Deck, durch schäumend hin und her schwappendes Wasser wieder in den Schutz der Kabinen des Heckaufbaus.
    Der Sturm hielt an. Er warf sie über Stunden, bis in die Nacht hinein, hin und her, lief aber nicht mehr zu solcher Wut auf, dass er ihnen gefährlich werden konnte. Als die Kraft des Sturm auch weiterhin in einen neuen Tag hinein nicht versiegte, klopfte die Vikarin an die Tür seiner Kajüte. Sie suchte Gesellschaft und Ablenkung von dem eintönigen, zermürbenden Wüten des Unwetters.
    Das Holz des Schiffes – Balken und Bohlen und Masten – ächzte und knarrte. Von draußen hörte man über dem Wüten des Sturms gelegentlich das Peitschen der Taue, die vom Brausen erstickten, in Böen von den Lippen der Seeleute an Deck gerissenen Rufe. Durch die Masse des Schiffskörpers drang vom Unterdeck her ein dumpfer Chor, der sich rhythmisch zu heftigem Grölen hochschwang. Die Soldaten hatten es wieder aufgenommen, mit ihren Gesängen dem Unwetter Paroli zu bieten, jetzt nachdem es nicht mehr mit solch schierer Macht tobte, dass es die eiskalte, abergläubische Furcht in jedes Herz trug, diverse unerforschliche Götter mit dem dreisten Aufbegehren herauszufordern, das darin liegen mochte, im Angesicht des von ihnen entfesselten elementaren Zorneschores die eigene freche Stimme singend zu erheben.
    Ein aufkommendes Streitgespräch zwischen Auric und der Vikarin über das Für und Wider von Annexionen von Gebieten und ihre Eingliederungen als Provinzen geriet nur halbherzig und ohne rechten Schwung, so als setze das tobende Unwetter draußen das Maß aller Gewalt auf seinen eigenen Pegel fest, der jedes andere Aufkommen von Heftigkeit nur einschüchtern und entmutigen konnte. Es endete damit, dass Berunian Auric von seinen Erfahrungen und Eindrücken in den Ländern Valgariens und Mittelnaugariens erzählen ließ.
    „Kommen Sie“, sagte die Vikarin, nahm ein poliertes Kästchen aus ihrem Mantel und legte es auf die schwankende Fläche des Tisches, „ich lege Ihnen das Kenan.“
    Auf seinen erstaunten Blick hin fügte sie hinzu, „Sie wollten doch etwas über die Natur der Magie wissen, die der Eine Weg für sich entdeckt hat. Dann schauen Sie sich die Kenan-Steine an.

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