Der Keil des Himmels
beunruhigenden Andeutungen. Die Auseinandersetzungen zwischen den Organen des Staates, allen voran der Kutte, und der Loge des Einen Weges schienen sich noch weiter zu verschärfen. Der Eine Weg kam aus dem Untergrund seiner Logenverstecke heraus und zeigte sein militantes Gesicht. Es gab jedoch keinen Hinweis darauf, dass man dabei Magier eingesetzt hätte.
Hielt die Loge des Einen Weges ihre Geheimwaffe noch im Verborgenen?
Oder führte die gute Vikarin sie doch alle an der Nase herum?
Deren vollen Namen er übrigens nebenbei durch die Nachricht der Kutte Silgenja erfuhr.
Kaiscall Viardan Berunian.
Kaiscall.
Was für ein ungewöhnlicher, exotischer Name für jemanden aus einem konservativen Hintergrund.
„Weil jemand wie Sie eine Gefahr für die Demokratie bedeutet.“
„Jemand wie ich?“
„Ja, jemand, der aus einem undemokratischen Milieu wie der Armee kommt. Der sich allein aus diesem undemokratischen Milieu nach oben gearbeitet hat. Mit diesem ganzen Hintergrund, den jemand in diesem Umfeld zwangsläufig mitbekommt. Hierarchische Befehlskette, unhinterfragte Anweisungen, Kadavergehorsam, der Rang allein zählt, Macht gibt Recht. Dazu der verrohende Aspekt des Soldatenlebens. Es läuft auf brutale Macht hinaus. Gewalt gewinnt eine Schlacht. Mit Gewalt nimmt man eine Stadt ein. Eine solche Kraft muss unbedingt von jemandem, der einem anderen, einem demokratischen Hintergrund entstammt, in rationale Bahnen gelenkt und im Zaum gehalten werden. Daher die unbedingte Notwendigkeit eines Offiziersbeamtentum.“
„Der verrohende Aspekt des Soldatenlebens? Was gibt Ihnen eigentlich das Recht, jeden, nur weil er der idirischen Armee angehört, über einen Kamm zu scheren und Rationalität und Kultur abzusprechen?“
„Ach hören Sie doch auf! Nur weil sie gelernt haben, brav ein paar Klassiker aufzusagen, macht sie das noch nicht zu einem anderen Menschen. Mit einer Seite aus dem Epokrav können Sie sich kaum das Blut von den Händen abwischen.“
„General, Vikarin, ich bitte Sie. Schauen Sie sich doch diesen herrlichen Tag an. Die ersten Schmetterlinge flattern, die Vögel singen. Nur Sie müssen diesen Chor der Harmonie mit ihren kleinlichen Streitereien stören.“
Die Vikarin warf Hubbarb einen vernichtenden Blick zu.
„Wenn Sie das Beharren auf einer humanistischen Ethik als unverbrüchlichem Grundsatz der Politik als kleinlich bezeichnen wollen, so ist das ihre Sache.“
Der Senphore warf resignierend die Hände hoch und widmete sich wieder dem Vorrat kandierter Backwaren in seinem Sattelbeutel.
„Und wer das Militär kontrolliert, hält Macht in seiner Hand. Es muss die Maxime einer jeden Regierung sein, die sich auf das Dekret des Bundes wider den Drachenerben beruft, zu verhindern, dass irgendjemand aus undemokratischen Hintergrund – oder überhaupt irgendjemand – wieder die Macht an sich reißen kann. Daher muss der Offizier stets ein Bürger in Uniform sein, der sich den Prinzipien der Demokratie und dem Staat, dem er dient, zutiefst verpflichtet fühlt.“
„Aha, und ein Soldat, der für den idirischen Staat seine Knochen hingehalten und sein Blut vergossen hat, ist kein Bürger. Sie sprechen jemandem, der mit seinem Leben diese Demokratie verteidigt, die Möglichkeit ab, selbst ein Demokrat zu sein?“
Sie durchquerten das wellige, raue Hochland von Kennarda, der nördlichsten der Drei Schwestern, jener drei kleineren Provinzen östlich von Banossa, und erreichten bald die Grenze zum Tragent. Die steilen, himmelsstrebenden Mauern der Wehrabtei von Ilakhra sahen sie nur von fern auf der Kuppe des Berges aufragen. Auric hatte Genarions Vorschlag eines Abstechers dorthin abgelehnt. Zwar hätte er auch gerne die Räume und Befestigungen der Hofburg des Batairgiden-Ordens und vor allem das berühmte Mosaik des Allgesichtigen Inaim gesehen, doch fühlte er sich gehetzt von dem Gefühl der drängenden Zeit, und er wollte ungern einen halben Tag verlieren.
„Warum der Eine Weg?“ Berunian ließ den Griff um ihre Zügel sinken und blickte sinnend ins Leere.
„Weil es die Wahrheit ist“, sagte sie schließlich mit entschiedener Knappheit. „Weil die Welt Logos ist, kein wildes, unerklärliches irrationales Chaos. Weil die Welt einen Sinn hat. Und wenn sie einen hat, hat auch das, was wir tun, einen Sinn.“
Während dieser energisch gesprochenen Worte, während ein Wind, der unvermittelt das breite Flusstal des Sotaije entlang wehte, ihr das ergrauende Haar zerzauste, war
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