Der Keil des Himmels
so etwas wie ein jugendliches Feuer auf ihren Zügen erschienen. Kaiscall Berunian war zu ihrer Zeit ein echter Feuerkopf gewesen, so hatte er von Silgenja per Senphorenbotschaft erfahren.
„Warum haben Sie sich dann letztlich gegen den Einen Weg gestellt?“
„Aus dem gleichen Grund. Weil das, was wir tun in Einheit mit der Welt sein und einen Sinn ergeben soll. Despotismus ist die Herrschaft der Willkür. Willkür ist der Bote des Chaos. Nur Demokratie stiftet Sinn, formt die Welt im Sinne göttlicher Ordnung.
Magie – das ist die pure Anarchie.
Die Loge des Einen Wegs will sie nutzen, um Macht zu gewinnen. Auf undemokratischem Weg und gegen demokratische Prinzipien. Das ist Verrat an dem Logos, den der Eine Weg ursprünglich auf seine Fahnen geschrieben hat.“
Der Sotaije wurde breiter und behäbiger. Streifen fruchtbaren Ackerlandes breiteten sich an seinen Ufern aus. Das Land war hier dichter besiedelt, die Städte und Dörfer strahlten eine in Frieden und Reichtum gesättigte Ruhe aus. Sie waren in das Kernland der tragentischen Provinz gelangt. Bald würden sie die Häfen von Baraneum erreichen.
Eingerahmt von zwei Höhenkämmen, überzogen vom strahlenden Glanz einer Frühlingssonne, breitete sich Baraneum vor ihnen aus. Das Licht machte See und Stadt leicht, zeichnete sie in milden Tönen ohne jähe Kontraste, ließ Schatten und Konturen verblassen. Es bleichte auch das Meer, so dass es wich und selbstverständlich sich in das Bett der weiten Trichtermündung fügte, dass es dort, wo es sich hinter Hügelgrenzen zur Weite öffnete, auch eine Ebene hätte sein können, endlos bis zum Horizont, flach und glatt in unnatürlicher Eintönigkeit und Perfektion. Jenseits der Küste drohte vage frostblaue Tiefe, verhohlen und drohend, wie durch Gletscherschichten hindurch. Ihr Schimmer berührte etwas nahe dem Herzen, wie ein kaum hörbar wisperndes Stabreimraunen von noch nicht gezähmten Frostbestien und falben, gärenden Himmeln weit jenseits der Krümmung des Horizonts.
Die Becken der Häfen lagen wie meergefüllte Krater in die Fläche der Stadt gegraben, an Stellen über durchbrochene Ränder ineinander fließend, an Stellen durch breite Durchbrüche miteinander verbunden. Ihre klare Wasserfläche war zernarbt von Punkten und Flecken von Schiffen jeder Art. Auch seine Kriegstransporter lagen dort unten, eng gedrängt wie eine Herde von Kälbern. Zum Ablegen bereit.
Sein Eintreffen war bereits durch eine Senphoren-Botschaft angekündigt, und so hatte man den Großteil der Ausrüstung bereits verladen.
„Ah, Handel, Zivilisation. Endlich wieder gutes Bier aus dem Norden.“ Hubbarb stützte sich mit durchgedrückten Armen vorne auf das Sattelhorn, um seinen von der Reise wunden Hintern zu entlasten. „Von einem anständigen Bett ganz zu schweigen.“
„Es wird wohl wieder ein Kasernenbett sein“, meinte Auric zu ihm hin und sah wie dem Senphoren das Lächeln entglitt. „Das ist dann wohl der Preis dafür, sicher im Schutz idirischer Truppen aufgehoben zu sein.“
Die Vikarin grinste mit abgewandtem Gesicht.
Sein Schwert-Bataillon erwartete ihn im Kasernenhof, ein Teil davon verschwitzt und mit staubüberkrusteter Rüstung, da die Nachricht seines Eintreffens sie beim Waffendrill überrascht hatte.
Er blickte die Reihe der Gesichter entlang; die unterschiedlichsten Gesichtsschnitte, die unterschiedlichsten ethnischen Merkmale, Treibgut aus der ganzen weiten Welt jenseits der Grenzen idirischer Provinzen, bekannte Züge von Männern und Frauen mit denen er geschwitzt und gefochten hatte, viele für ihn namenlos, viele von üblen, erbarmungslosen Schicksalen in die 16. Division getrieben. Manch einer von ihnen konnte bei seinem Anblick nicht ganz den Hauch eines Grinsens aus dem militärisch starren Gesichtsausdruck verbannen.
„Schwarzer, Schwarzer!“, hörte er in seinem Kopf seine Soldaten über den Schlachtlärm rufen und ihn vor Eisenkrone warnen.
Die Aufgabe erfüllen und so viele von ihnen durchbringen wie möglich.
Jeder einzelne zählte, jeder einzelne war ein Leben, jeder Tod war ein durch nichts zu heilendes schwarzes Loch, das ins Tuch der Welt hineingebrannt wurde. Kein Schwitzen, Saufen, Fluchen durfte mutwillig verlorengehen.
Er musste ihnen nur in die Augen schauen, um daran erinnert zu werden.
Irgendwie hatte er diese Realität in Idirium aus dem Blick verloren. Hinter all den Schachzügen, edlen Zielen, Plänen und Programmen. All dem glatten Gerede von
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