Der Keil des Himmels
das Bett, durch das Blut, über den toten Körper der Vikarin, der dadurch zur Seite kippte, polterte auf den Boden dahinter, in einem Knäuel eigener Gliedmaßen, zwischen Wänden und Boden an der starren Länge des Schwerts auf seinem Rücken eingekeilt, daran festgeklemmt wie eine Puppe an ihrem Stab. Das Metall des Schwertknaufs scharrte mit enervierend scharfem Sirren über die Wand, ein Laut, der wie ein Stilett durch die schwere Wolke aus dumpfen Schmerz biss, aus dem Oben und Unten verwirbelndem, torkelndem Chaos, das sein Kopf war. Die Richtung des Schattens der plötzlich auf ihn fiel, das musste oben sein. Des Klingenblitzens. Kudai, jetzt wieder über ihm, ließ erneut die Speerklinge herabsausen. Eingekeilt. Kein Platz auszuweichen. Er krümmte sich blitzschnell zusammen, klappte sich ein. Brachte den Schaft, der ihn eingekeilt hatte, zwischen sich und die herabsausende Klinge. Die Speerklinge traf die Schwertscheide, ihr Schlag wurde von ihr blockiert. Der schräge Winkel des Auftreffens aber ließ der Schneidenspitze noch Raum. Auric spürte, wie sie durch die Uniform und schmerzsengend durch seinen Rückenmuskel schnitt.
Er spürte, dass er etwas Freiraum bekam, warf sich, mit nicht länger eingeklemmtem Schwert über seiner Schulter, rückwärts, rollte sich ab, zog das Schwert aus der Scheide. Sirren des Ziehens und das Klirren von Stahl auf Stahl beim Parieren von Kudais nächstem Hieb waren fast eins. Kudai war schon wieder über ihm, ließ ihm keinen Raum und keine Luft. Blut von der Stirnwunde lief Auric in die Augen, nahm ihm die Sicht, er parierte den nächsten Hagel von Schlägen mehr mit viel Glück als mit Geschick. Dann war er hoch, bei erster Gelegenheit aus der Hocke gehechtet, torkelte, prallte gegen die gegenüberliegende Wand – Schwert hoch! Unbarmherzig war Kudai schon wieder über ihm, das Flirren der Fechtspeerklinge in wild hackendem Rhythmus. Der idirische Fechtspeer konnte eine gefährliche Waffe sein, und Kudai war Experte damit, gab ihm keine Chance, Boden zu fassen, auch nur irgendwie aus der Defensive zu kommen. Er saß in der Enge und kam nicht frei, während die flache, lange Klinge auf ihn einprasselte. Kudai kämpfte stumm und erbittert. Er bekam einen weiteren Schnitt am Arm ab, als er versuchte die Achsenrotation des Speers zu kompensieren.
Keiner würde sie hören. Die Innenhöfe waren schon fast menschenleer und weiter draußen beim aufbrechenden Heerbann übertönte der eigene Lärm der Soldaten jedes andere Geräusch.
„Kleiner Mistkerl!“, knirschte Auric durch zusammengebissene Zähne.
„Ja? Wer ist hier der Mistkerl?“, zischte Kudai zurück. „Herr ‚Ich-bin-ein-Scheiß-Gelehrter‘-General.“
Rücken zur Wand, das heftige Hiebgewitter Kudais mühsam parierend, schob er sich Richtung Tür. Kudai bemerkte, was er vorhatte, änderte den Winkel, machte einen Ausfallschritt seitwärts.
„Nein, so nicht.“ Er attackierte ihn weiter, blockierte ihm jetzt den Ausweg durch die Tür. „Zwei Leichen in diesem engen Raum, das ist genau richtig.“
Unter Kudais Attacken gelang ihm dennoch ein weiterer Schritt seitwärts, so dass er die Kante des Türrahmens im Rücken spürte, sich hinein drehte. Mit einem Schrei stürzte Kudai vor, zwang die Klinge seines Fechtspeeres und die von Aurics Schwert in Bindung, so dass sie beide miteinander in den Türrahmen gewuchtet wurden, wo sie verbissen Klinge an Klinge miteinander rangen.
Kudai war vielleicht kein Riese aber stark wie einer – erstaunlicherweise. Er hatte vorher nie eine solche Kraft gezeigt, Auric hätte sie nie bei ihm erwartet. Beide schnauften, zischten und knurrten sie unter der Anstrengung; Auric hatte wirkliche Mühe, Kudais Stärke und Heftigkeit irgendetwas entgegenzusetzen.
Wenn er jetzt solche Fähigkeiten zeigte …? Kudai hatte er als ersten seines Stabes gesehen, nachdem er die Senphoren ermordet aufgefunden hatte. Kudai konnte gehen, wohin er wollte, seine Anwesenheit war niemandem zu irgendeinem Zeitpunkt verdächtig. „Du – die Senphoren …“, brachte Auric keuchend hervor.
„Ja, war ich.“ Kudais Mundwinkel zuckten wieder zu seinem Grinsen. „Das Moment der Überraschung.“
Im Augenblick, in dem er das sagte, durchschnitt ein schnappendes, sirrendes Klingen den engen Raum zwischen ihren Körpern. Eine Klinge zerschnitt Aurics Unterarm.
Nur eine Klinge, nicht mehr – kein tiefer Schnitt. Weil er sich in blitzschnellen verzweifelten Schwung aus der Bindung gelöst
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