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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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gesucht, nachdem er sie im Getümmel des Aufbruchs verloren hatte. Ihr Blick zeigte Bestürzung.
    Die Bestürzung würde wahrscheinlich bei zweien der Leibgarde noch größer sein, wenn sie im Nebenraum die Leiche der Vikarin fanden. Er fragte sich, welche beiden das sein würden. Aber das musste jetzt warten; die Vikarin war tot und würde es bleiben.
    Jetzt mussten sie erst einmal den kleinen Dreckskerl erwischen.

    Kudai floh über die Dächer   Zephrenaics. Mit einer erstaunlichen Kraft und einer erstaunlichen Agilität.
    Die Kinphauren mussten noch etwas anderes mit seinem Körper gemacht haben als nur seine Arme zu richten und zu heilen.
    Seine im Kampf gegen die Ankchoraik zerschlitzten Arme: Das war also mit ihnen geschehen.
    Keine neu entwickelten, kaum in der Praxis bewährten medizinischen Techniken. Nicht weil andere Verletzte und Verstümmelte dann von diesen Methoden Wunder erwartet hätten, die sie nicht vollbringen konnten, war er direkt nach Jhipan-Naraúk von der Bildfläche verschwunden.
    Wo hatte man die kinpaurischen Praktiken an ihm durchgeführt? Vielleicht irgendwo versteckt in einem Ordens- oder Logenhaus des Einen Weges? Die Loge hätte, nach dem, was er von ihrem Einfluss und ihrer Macht gesehen hatte, immerhin die Möglichkeiten gehabt, so etwas unbemerkt zu bewerkstelligen oder zu vertuschen. Eine schmerzhafte Behandlung, hatte Kudai gesagt, aber in ihrem Ergebnis ein großer Erfolg.
    So konnte man das sehen.
    Der Preis für die Heilung seiner Arme.
    Kudai sprang wie eine Katze an den Mauern des Hahnentors hoch, krallte sich, genau wie eine solche, an winzigen Vorsprüngen fest und erkletterte an ihnen gewandt und flink die Höhe der Zinnen.
    Sie hatten ihn zu Fuß und alleine bis zu diesem kleinen Stadttor westlich der Kaserne verfolgen müssen, denn im Streifen zwischen Kasernenmauer und Stadtmauer war, als sie in Verfolgung Kudais hinter ihm von den Kasernendächern auf den Erdboden herunter sprangen, keine Menschenseele zu sehen. Alle Soldaten, alle Pferde waren in den Feldern im Osten der Kaserne, wo man mit Abbruch des Lagers und Aufmarsch zum geordneten Verlassen des Standorts Zephrenaic beschäftigt war. Auric und seine sechs Leibwächter konnten, als sie zur Hatz hinter Kudai her ansetzten, den Lärm dieses Treibens von dort herüber schallen hören, jetzt von keinem Regen mehr gedämpft.
    Schon die Geschwindigkeit mit der Kudai ihnen in Richtung des kleinen Stadttores davonrannte war erstaunlich. Sein Kurs war klar. Nun, da er aufgeflogen war, wählte er den logischen Fluchtweg, fort von dem Chaos des Aufbruchs, fort von den Massen an Soldaten. Wahrscheinlich wollte er die Stadt zwischen sich und sie bringen und zum entgegengesetzten Stadttor heraus Zephrenaic verlassen.
    Sie folgten ihm im Spurt an den Stadtwachen vorbei, durch den dunklen Durchgang des Hahnentores, spähten dahinter die Straßen nach ihm entlang, konnten ihn zunächst nicht entdecken. Einer der Leibwächter stieß einen Ruf aus, deutete auf die Dächer.
    Dort war er.
    Wie eine Katze rannte er einen Dachfirst entlang als wäre es ebener Boden, sprang über eine Gasse auf das gegenüberliegende Hausdach, glitt kurz auf den vom Regen rutschigen Schindeln aus, fing sich rasch, rannte weiter, ließ sich herab auf eine tiefer liegende Schräge fallen, hechtete über einen weiteren Abgrund, hing kurz sich festkrallend am Mauerwerk, schwang sich dann über das Gesims und entschwand ihren Blicken.
    Sie hetzten die Straßen entlang in die Richtung, in der sie ihn zuletzt gesehen hatten, glaubten, den Umwegen des Straßenrasters folgend, ihn noch einmal über die Kante einer Dachlinie erspäht zu haben. Dann erkannten sie die Sinnlosigkeit einer solchen Verfolgung, sprinteten daraufhin nur noch so schnell sie konnten – über belebte   Märkte, zwischen Menschenmengen hindurch, ein Chaos aus umgeworfenen, zerbrochenen Tonkrügen, sie bestürzt anblickenden, ihnen hinterher rufenden Bürgern in ihrem Kielwasser – in Richtung des westlichen Stadttores, von dem sie sicher waren, dass er es nehmen würden, um ihn dort mit etwas Glück noch abzufangen.
    Als sie dort nach Atem ringend, Hände auf den Knien aufgestützt, ankamen, konnte ihnen eine der Torwachen nur noch berichten, dass vor wenigen Minuten ein idirischer Offizier mit zerfetzten Uniformärmeln im Galopp durch das Torgewölbe gedonnert sei, dabei fast einige Leute über den Haufen geritten habe.
    Die Stimme der Torwache hallte hohl im Tunnel des Torbogens

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