Der Keil des Himmels
wieder. Wie die dumpf hallenden Geräusche eines stürzenden Bergbaches, der durch die Enge einer Höhlung schießt.
Auric richtete sich auf, legte den Kopf in den Nacken, erblickte in der Höhlung der Decke ein Gewölbe aus hellen, gleichmäßig behauenen Steinquadern. Sie passten perfekt und beinahe fugenlos ineinander. Wie man es von einem idirischen Bauwerk erwarten durfte. Ein Torweg in der Befestigungsmauer einer gewöhnlichen idirischen Provinzstadt, etwas abgelegen, etwas weit weg vom Schuss. Fast so etwas wie ein Außenposten.
Nun war er doch wieder hierher zurückgekehrt, entgegen seinem Vorsatz.
Er sah die durch den Bogen eingefasste Straße der Außenstadt entlang, gesäumt von windschiefen Fachwerk- und Lehmziegelhäusern, ein leicht veredeltes Abbild nur der Städte, die er damals auf seinem Weg durch Mittelnaugarien gesehen hatte. Vor wenig mehr als zehn Jahren. Damals war er geflohen, heute war er der erfolglos gebliebene Verfolger und blickte den Trümmern von etwas hinterher, das er für eine Freundschaft gehalten hatte.
Zu Hubbarb. Damit dieser so schnell wie möglich die entsprechenden Botschaften sendete. Die Warnung. An Kelam.
Er hatte das Pferd im Namen der idirischen Armee konfisziert und seine fast panisch besorgten Leibgarden kurzerhand, nicht wirklich beruhigt, hinter sich zurückgelassen, damit sie ihm so schnell wie möglich nachfolgten. Ihn jedoch trieb eine fieberhafte Eile. Er musste in seinem aufbrechenden Heer den letzten in Norgond verbliebenen Senphoren finden.
Während er in gestrecktem Galopp die durch den Kern von Zephrenaics idirischer Neustadt führende Magistrale entlangritt, rasten die Gedanken nur so durch seinen Kopf.
Zwei Attentate hatte es in Idirium gegeben. Eines auf ihn, eines auf Kelam.
Bei ihm war nur die Tatsache, die Kenntnisnahme, dass es ein Attentat gegeben hatte, für die Hintermänner wichtig gewesen. Kelam sollte tatsächlich ermordet werden.
Das Attentat auf Kelam war misslungen, und die Dritte Armee war daher nicht ihres brillanten, von den Feinden Idiriums gefürchteten Generals beraubt worden. Sie stand, noch immer unter Kelams Kommando, im Osten des Reiches. Sie war das, was zwischen Idirium und einem weiteren höchstwahrscheinlichen Invasionsversuch der Kinphauren stand. Die Kinphauren waren in diese weitreichende Verschwörung verwickelt, trieben gemeinsames Spiel mit der Loge des Einen Weges und den Kyprophraigen. Die durch die Loge des Einen Weges verursachten Unruhen versetzte das Reich regionsweise in schon beinahe bürgerkriegsähnliche Zustände. In diese instabilen Verhältnisse würden die Kinphauren mit einem neuen Großangriff über die Hänge des Saikranon hereinbrechen. Ihnen stand Kelam mit seiner Vierten Armee gegenüber.
Und er? Was erwartete ihn?
Hier in Norgond?
Kyprophraige? Von ihnen entfesselte uralte Kampfhomunkuli?
Würden sie ihnen in den Rücken fallen, wenn es zu einer Schlacht mit den Suevarenstämmen kam? Sollten sie zwischen zwei Fronten zerrieben werden? Einem kriegslüsternen, von nichtmenschlichen Feinden des Reiches aufgestachelten Valgarenvolk auf der einen Seite, das glaubte, damit auf die Pfade eines früheren, längst vergangenen Ruhms im Zeichen eines Bündnisses mit alten Feinden der Menschheit zurückzukehren, und auf der anderen Seite blitzeschleudernden mythischen Wesen einer älteren Welt mitsamt ihren wiedererweckten Kriegskreaturen.
Würden den abergläubischen Valgaren Kyprophraige als Thyrins Drachenkinder oder seine schrecklichen Paladine, seine Racheboten erscheinen? Dazu brauchte es wahrscheinlich nicht einmal einen ihre hinterwäldlerischen Hirne vernebelnden Drachenblutrausch. Die Erscheinung eines Kyprophraigen allein bot Teufelsfratze genug.
Die Stimme eines Kyprophraigen würde donnern, seine Hände würden einen Blitz schleudern, und die Suevaren würden rasen vor Blutdurst und Siegeswahn und sich fühlen, als ginge es erneut darum gegen Carn Penneck zu marschieren, wie in alten Zeiten.
Der Rhythmus der Pferdehufe auf den Steinen der Straße hämmerte in seinem Kopf, kontrapunktierte die rasenden Abfolgen und Sprünge seiner Gedanken. Voraus konnte er schon das gegenüber liegende, östliche Stadttor Zephenaics erkennen.
Warum aber, so ging es ihm durch den Geist, wenn Kelam doch im Osten von den Kinphauren angegriffen werden sollte, durften dann nicht Teile seiner Vierten in den Westen abkommandiert werden, wo dies doch das Heer, das dem Vormarsch Kinphauren im Osten entgegen
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