Der Keil des Himmels
verharrte. Bei ihm war nur allzu offenbar, dass er nicht körperlich, nicht greifbar war. Zwar war er seinen Augen, nachdem er sich von wo auch immer in die Welt geschoben hatte, deutlich sichtbar, nicht wie ein Schemen oder Schatten sondern als eine geformte Gestalt. Doch diese Gestalt war nicht aus roher Materie geschaffen sondern aus feineren Stoffen, die zwischen der stofflichen Welt und dem Unsichtbaren existierten. Der Silaé schien wie aus Licht geschaffen, dem sein Geist Gestalt verlieh.
Von seinem Leib ging ein bleiches Schimmern aus, er war schlank und langgezogen wie eine Säule. Was Kleidung war, was sein Körper, blieb ununterscheidbar – alles war der gleiche lichte Stoff. Sein Schädel war glatt und haarlos, seine Augen ein blaues untergründiges Glimmen wie aus Tiefen eines Schachts heraus. Es war ein schlanker, hoher Kopf, durchscheinend wie in bläulich weißem Licht, ein Gesicht wie in Klarheit geglättet und von den Kratern und Schroffheiten der Materie befreit, mit einer Mimik, die obwohl sie unbewegt war, in den Ätherschichten und Fasern, die dieses Antlitz formten, wie in ständig wechselndem Schattenfall fluktuierte.
Es war kein menschliches Gesicht.
Der Silaé sah ihn an, und er hatte das Gefühl als blickten ihm diese blauen Abgründe direkt in die Seele.
Cianwe-Gauchainen hatte etwas gesagt, über den Silaé. Er merkte auf.
„ … die unserer Gemeinschaft Führer und Lehrer sind. Auch er wollte Sie kennenlernen. Auch er wollte dem Boten der Welt dort draußen, aus der wir uns zurückgezogen haben, seinen Gruß entbieten.“
Und ihn prüfen und taxieren, damit ein Urteil gefällt werden konnte, dachte Auric. Ob ihm das Verlassen seiner Räumlichkeiten und der Zutritt zu anderen Bereichen von Himmelsriff gestattet oder seine Bewegungsfreiheit weiter auf die kleine Flucht von Räumen beschränkt werden sollte, die ihm Krankenlager gewesen war. Ein Verhör also.
Der Blick des Silaé fing den seinen erneut ein. Er wandte den Kopf auf dem langen, schlanken Hals aus Licht, und ein Entziehen war für Aurics Blick nicht möglich.
„Ich grüße dich Auric Torarea Morante.“
Nein, kein Verhör. Ein Verhör war für dieses Wesen nicht notwendig.
„Mein Name ist Bogenfall des Lichts .“
Auric spürte seinen Körper erbeben, und in einer kleinen wie ein leichter Ruck durch die Welt gehenden Verschiebung, schwand der Raum um ihn, verlor alles Räumliche die Last seiner Relevanz.
Eine Grenze war gefallen zwischen seinem Geist und etwas Fremden und Immensen, das sich ihm wie ein forschendes blendendes Licht näherte, doch seine eigene Wahrnehmung dadurch blockierte, dass es sie in dem Ansturm eines Gleißens überflutete, als blicke er geradewegs ins Angesicht der Sonne. Eine Membran des Lichts war zwischen ihm und einem sich öffnenden gewaltigen Bereich, den er als Bewusstsein eines großen Geistes ahnte.
Im Raum dieses Lichts, das zwischen ihnen war, hielten sie Zwiesprache.
Und während dies geschah, wurde seine Wahrnehmung immer wieder magisch von den wirbelnden, rotierenden Bereichen hinter der Membran angezogen. Als sähe er ein Schattenspiel im Lichterweben. Als sähe er das Schattenspiel mit einem Mal von hinter der Bühne, als sei er darin. Er war für einen Moment verloren, doch dann spürte er ein Wiedererkennen. Er spürte das Arbeiten einer Maschinerie aus Geist. Er spürte eine Verbindung. Er spürte etwas ihm bereits Bekanntes. Er war in einem Raum des Erkennens. Es hauchte ihm zu, so wie Licht haucht. Es raunte, so wie es die Art von Lichtraunen war.
Es tat einen Lidschlag. Bogenfall des Lichts tat einen Lidschlag.
Und er stand in dem Raum, der etwas von einem Forum hatte, tief im Innern von Himmelsriff, vor den Enthravanen Cianwe-Gauchainen, Cenn-Vekanen und Viankhuan, der Silaé ragte wie eine bleiche Säule hinter ihnen auf, Darachel und Siganche standen an seiner Seite.
„Das ist eine interessante Sicht der Dinge“, sagte der Silaé, wie zur Antwort, doch Auric wusste nicht worauf.
Darachel war erleichtert. Die Befragung Aurics durch Bogenfall des Lichts schien gut zu verlaufen.
Während der ganzen Prozedur versuchte er gelassen zu bleiben, keine offenkundigen persönlichen Zeichen in den Gebärdendiskurs zu weben. Vor allem gegenüber Cenn-Vekanen war er um eine neutrale Erscheinung bemüht, so viel ihm das auch abverlangte, war doch dessen Auraschirm von deutlich sichtbarem Vorbehalt gefärbt.
Doch dann war es vorbei.
„Ich sehe keine
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