Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
Vom Netzwerk:
Osten zu seinen Truppen zu reisen, die noch immer die Absicherung der Ostgrenzen gewährleisten mussten – oder die Sicherheit der Provinzen, sollte nach dem Abzugs des Großteils der Sechzehnten, dort wieder irgendein Aufruhr aufflammen, mit dem Provinz- und Reichsgarde nicht fertigwerden würden.
    „Natürlich, es ist eine große Chance, wie sie einem selten dargeboten wird“, sagte General Kelam und setzte sein Kaffeetasse wie etwas absurd Fragiles, das ihm jemand fahrlässigerweise in seine großen, schwarzen Hände gedrückt hatte, auf der bereits vollgeschwappten Untertasse ab. Die helleren, rosafarbenen Stellen der Handinnenfläche und Fingerkuppen lösten sich von der Tasse, so dass es schien, als hätte etwas von ihrem zarten Porzellan auf die grobe, schwielige Soldatenhand abgefärbt. „Und natürlich sehe ich auch Ihre Befürchtungen.“
    Er lehnte sich in seinem bequemen Teakholzstuhl zurück, die Sonne schien ihm auf sein flaches, sattes, braunes Gesicht, und er blickte auf die Stadt hinunter, zählte es an den Fingern ab.
    „Erstens: Sie sind jung. Sehr jung für einen solchen Posten.
    Zweitens: Sie stammen nicht aus dem Gebiet des Idirischen Reiches. Nicht nur das: Sie sind ein Barbar. Ein Valgare.“ Seine Hände unterstrichen das böse Wort mit dem spukhaften Flattern von Fledermausschwingen. „Übles, wildes, ungebildetes Volk in der Sicht der meisten Idirer.
    Drittens: Sie sind – was für ein Skandal! – kein Beamter.
    Fazit: Wenn Sie die Berufung zum General annehmen, werden Sie eine Menge Feinde haben.“
    Kelam fasste seine eigenen Befürchtungen knapp und treffend zusammen. Ähnliches hatte ihm ja auch schon Heerespräfekt Makuvan in Aussicht gestellt, als er ihm das Angebot unterbreitet hatte. Auric hob seine Kaffeetasse, um den letzten verbliebenen Schluck zu trinken. Mit fortschreitendem Tag verflog das Gefühl friedvollen Aufgehobenseins im Weltengang und wurde ersetzt durch ein Verlangen nach viel, sehr viel von dieser die Wirrheit von zu wenig Schlaf verdichtend durchbitternden, dunklen Brühe. Sein Blick folgte parallel dem des Generals über die Stadt.
    „Gut, es gibt die Heeresreform von ’83, aber wer nimmt die schon in all ihren Konsequenzen ernst. Vieles davon ist eine reine Formalie“, fuhr Kelam fort. Mit seltsamen kleinen, knappen Handgesten am Rand von Aurics Blickfeld, wie ein ignoriertes aufgeregtes Vogeljunges, wohl in unbewusster Vertretung eines Zeichens von Mimik in seinem eingefrorenen Veteranengesicht. Der wenige Schlaf ließ solche Details für Auric scharf und splitternd hervortreten. Er spürte keine Neigung Kelams Monologisieren zu unterbrechen, kniff die Augen gegen das bleiche Kalkbrennen des noch spröden Aprillichts zusammen und hörte weiter zu. „Im Text der Heeresreform wurde zwar der Aufstieg von Nichtbeamten aus den Rängen der Soldaten und von über den Dienst in der Sechzehnten Eingebürgerten theoretisch geregelt, aber von der ganzen Beamtensippe geht doch niemand ernsthaft davon aus, dass ein solcher Passus auch in voller Konsequenz zur Anwendung kommt.“
    Kelam schwieg einen Augenblick, strich sich mit der Hand über Kinn und Hals.
    „Natürlich, die niederen Offiziersränge – dafür sind erfahrene, abgebrühte Frontschweine gut. Aber die höheren entscheidungstragenden Ränge? Die sollen doch bitte wie bisher durch vom Geburtsrecht her idirischen Bürgern besetzt werden. Und zwar wie gewohnt mit Vikaren und Syndikussen, die sich vorher sauber durch die Seilschaften in der Beamtenhierarchie hochgearbeitet haben.“
    Er bemerkte, dass Kelam ihn jetzt von der Seite direkt anschaute, und erwiderte seinen Blick.
    „Für solche Leute“, fuhr Kelam ihn fest in den Blick fassend fort, „würde ihre Ernennung zum General der Sechzehnten einen unliebsamen Präzedenzfall schaffen, der einen theoretischen, rechtlich zwar denkbaren Fall tatsächlich zu einer akzeptierten Praxis machen würde.“
    Auric erinnerte sich an sein Gespräch mit Heerespräfekt Makuvan.
    „Sie werden mich jetzt wahrscheinlich noch auf einen weiteren Aspekt hinweisen wollen“, warf er daher ein. „Dass nämlich die Gegner der Heeresreform glaubten, ein stichhaltiges Argument für die Besetzung hoher Militärposten strikt und aussschließlich aus den Reihen des Beamtentums heraus schon fest in ihrer Hand zu halten. Vikar Genarion wurde klar als Nachfolger von General Naboran gehandelt. Genarion ist nicht nur ein Parteigänger der Reformgegner sondern auch – im

Weitere Kostenlose Bücher