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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Aurics Heer sollte, in den engen Teil des Trichters der Talöffnung gedrängt, keinen Platz haben sich zu formieren, keine effektive, ebenbürtige Schlachtaufstellung zustande bringen können. Vielleicht hoffte der Feind sogar, die Idirer – dadurch, dass sie in keiner breiten Front, sondern nur in einer gedrängten Masse angreifen konnten – mit ihren Flanken wie Zangen einschließen zu können und dazwischen aufzureiben. Wenn sie hier für die Nacht Lager aufschlugen, würde das am Morgen ihren Raum, den sie zur Schlachtaufstellung zur Verfügung hatten, und ihre Möglichkeiten noch mehr einschränken. So dachte der Feind.
      Er spürte Bewegung am Rande seines Blickfeldes, blickte hin und sah Czand, die ihr Pferd neben ihm gezügelt hatte. Ihr Blick glitt über die Entfernung hinweg konzentriert die Schlachtreihen des Feindes entlang.
    „Ich muss gleich wieder zurück“, sagte sie, mit dem Blick noch immer die Aufstellung des Feindes abfahrend. „Die Enge macht das Ganze zu einem Knochenjob. Aber ich musste mir einfach ansehen, mit wem wir es morgen zu tun haben. Vor der offiziellen Besprechung. Du forderst deinen Soldaten gewaltig etwas ab.“
    „Sie können es. Die da drüben fordern es ihnen ab.“ Er deutete über den Streifen Sommerwiese hinweg. „Und der Wille zu überleben.“
    „Der Wille zu überleben?“ Sie spuckte am Hals des Pferdes vorbei aus. „Wenn der intakt wäre, wären wir niemals in die Armee eingetreten. Und würden spätestens jetzt die Beine in die Hand nehmen und so schnell sie uns tragen, das Weite suchen.“
    Er warf ihr einen prüfenden, ihre Gestalt herab gleitenden Blick zu. „Was ist los? Wirst du auf deine alten Tage philosophisch. Frau taffe Berufssoldatin und Ich-hab‘s-mir so-ausgesucht-weil-mein-altes-Leben-Scheiße-war.“
    Sie tat es schnaubend, mit einem Zucken des Kopfes ab. „Manchmal packt‘s dich halt. Die Realität hat kalte Klauen. Und sie hat die Eigenart sich manchmal wie eine verschmähte Geliebte aufzuführen.“
    Sie sah ihn noch immer nicht an, hob den Kopf, schob ihr Kinn vor und fixierte den Anblick vor ihnen aus zusammengekniffenen Augen.
    „Ist einfach nur dieses Der-Abend-vor-der-Schlacht-Ding“, sagte sie.
    Er nahm die Zügel und ließ sein Pferd wenden, so dass es im rechten Winkel zu ihrem kam.
    „Komm, kontrollier deine Waffen und bring sie auf Vordermann. Wie jeder gute Soldat vor der Schlacht. Ich komme mit dir.“
    „Ja, und sieh zu, dass deine Waffen ihre Manöver präzise ausführen.“

    Crussav hatte die Föderierten im Griff, das hatte er versichert. Alle anderen kannten ebenfalls ihre Aufgaben. Sie hatten gemeinsam das feindliche Heer in Augenschein genommen, letzte Vorschläge und Einschätzungen abgegeben.
    Morgen.
    Wieder mit Czand allein im Zelt.
    Er hatte sein Hemd abgestreift, weil plötzlich eine fiebrige Hitze über ihn gekommen war, ein Hitzeschwall wie in Panik. Er brauchte Luft, alles war zu eng, er riss das Hemd herunter, er brauchte Raum zum Atmen. Czand hatte die Hände auf den kalten Schweiß seiner Schultern gelegt, die Hand zu seiner Brust herabgleiten lassen. Nichts Sinnliches oder Erotisches darin, nur eine feste Geste tiefer, beruhigender Vertrautheit.
    „Das Heilfleisch, das du von deinem Vater geerbt hast, ist wirklich außerordentlich.“ Sie fuhr mit dem Finger verschiedene der Narben entlang. „Die Wunden, die dir die große, böse Stadt zugefügt hat, sind schon alle wieder gut verheilt.“
    „Irgendetwas Gutes muss er mir ja mitgegeben haben. Wenn er schon daran schuld ist, dass ich dieses Leben führe.“
    Sie packte ihn unvermittelt so heftig bei den Schultern, dass er die Luft anhielt, drehte ihn zu sich hin. Ihre Augen blitzten ihn an.
    „Schuld, mein Lieber, Schuld ist ein beschissenes Wort für jemanden in deiner Position. Am Abend vor einer Schlacht. Vor allem, wenn du es auf deinen Vater anwendest. In deinem Alter.“
    Er starrte sie fassungslos an. Was war nun in sie gefahren?  
    „Es war nicht dein Vater, der diesem Oberschichtsjüngelchen die Nase gebrochen hat“, fuhr sie mit scharfer Stimme fort. „Der daraufhin sein Studium geschmissen hat, statt zu kämpfen, mit Kraft und mit Findigkeit, wie du es auf dem Schlachtfeld tust. Dein Vater hat auch nicht diesen brennenden Zwang in sich verspürt, mit all deinen militärischen Theorien, all dem Drill, der dich in diese Position gebracht hat. Dein Vater hat nicht all deine Entscheidungen getroffen. Du hast es getan. Sie haben dich

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