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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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hierher gebracht. Und weißt du was? Sie sind der Anspruch auf Größe, den dieser Klumpen Fleisch erhebt.“ Sie schlug ihm mit der Faust gegen die Brust, zweimal in kurz nachhallender Folge, als wolle sie die Festigkeit eines Stückes Holz testen.
    Sie ließ die Hände sinken. Sie sahen sich ruhigen Blickes an.
    „Was ist das mit deinem Vater? Kannst du ihn nicht hinter dir lassen?“
    „Das habe ich schon vor langer Zeit getan. Mit abgehacktem Kopf. Nachdem er meine Mutter zu Tode geprügelt hatte.“
    Stille.
    „Man sollte eigentlich meinen“, sagte sie, „dass dieses Kopfabhacken eine Sache gründlich abschließt. Manchmal anscheinend nicht.“
    Sie drehte sich plötzlich von ihm weg. „Ach ja, Familiengeschichten.“ Blieb mit ihm abgewandten Rücken stehen. Sie hatte ihm immer wieder verwehrt nachzufragen. So ließ er es auch diesmal. Ein paar Sekunden, dann drehte sie sich wieder zu ihm hin.
    Und es war vorbei. Es blieb kein Hauch einer beklemmenden Atmosphäre zwischen ihnen zurück. Er war froh, es ihr gesagt zu haben.
    Der Keil des Himmels zerbricht die standhafte Feste.

    Sie war gegangen. In ihr eigenes Zelt. Wahrscheinlich um vor dem, was morgen vor ihnen lag, noch ein paar Stunden unruhigen Schlaf zu bekommen.
    Auric blieb zurück, legte sich angekleidet auf sein Feldlager, konnte keine Ruhe finden.
    Ein Ruck ging durch ihn hindurch. Er setzte sich auf, schwang die Beine auf den Boden.
    Saß da, starrte auf das vage Glühen der Feuer dort draußen, das sich in den Zeltbahnen fing. Der murrend abgedämpfte Lärm des Lagers, das splitterklar hervortretende Brummen der Anspannung war plötzlich irgendwo anders, wo es für ihn nicht mehr wichtig war.
    Plötzlich war es da, hart und schwer und fest wie ein Fels. Wie ein Brocken roher Materie, der sich plötzlich im Raum manifestiert hatte.
    Es war vorbei.  
    Danach war es vorbei.
    Er würde ein Studium beginnen. Wenn er das überlebte, würde er ein Studium beginnen. Kein ‚Das, was danach kommen soll‘. Nicht für ihn. Das konnten andere machen. Er hatte das Instrument geschmiedet. Seine Pflicht gegenüber dem idirischen Staat war damit abgeleistet.
    Das war es. Er war raus.
    Alles um ihn fühlte sich für den Moment frisch und klar und leicht an.
    Er zog den Mantel über, schlug die Zeltplane zurück, ging die schnurgerade Gasse durch das Lager, zwischen den Feuern hindurch, vorbei an von ihrem Flackern schwach beleuchteten Soldaten, die auch keine Ruhe finden konnten, endlos die Waffen kontrollierten und schärften, gemurmelte Gespräche austauschten, statt sich hinzulegen wider besseres Wissen den Schlaf endlos hinauszögerten. Wer konnte es ihnen verdenken vor einem Morgen, der einen Alptraum von schwarzem Blut versprach, von Körpern, die wie bloßes Fleisch auf dem Schlachtblock behandelt wurden, von Krallen und Hacken.
    Cruverian und Breagnar, seine Leibgardisten, die Wache vor seinem Zelt hatten, besaßen das Feingefühl, ihm, als sie sich an ihn hefteten, einigen Abstand zu lassen.
    Sein Weg lenkte ihn hinüber zum Tross. Er suchte den bestimmten Wagen des Mannes, dem er Ku Zwei anvertraut hatte, fand den kleinen unter dem Wagen schlafend an ein Rad gedrückt. Er tätschelte ihm Kopf und Nacken. Ku Zwei hob träge den Kopf, gähnte, sah ihn und beschloss beruhigt wieder die Augen. Sein Herr war da, die Welt war gut, er konnte schlafen. Auric war froh, dass er ihn im Tross sicher wusste, so sicher das nur irgend möglich war. Er vermisste den Kleinen. Er hatte ihn lange nicht mehr gesehen. Er richtete sich auf.  
    „Schlaf gut, Ku Zwei“, sagte er. „Träum sanfte Hundeträume.“
    Er ging zurück durch das Lager, schließlich an seinem Ende durch die Schlachtreihe derer, die den nächtlichen Schutzwall bildeten hindurch – es musste die mittlere Schicht sein – kam an die Grenze, dort, wo das Lager endete, dort, wo die letzten Vorposten ihrer Nachtwache standen. Einer von ihnen sah ihn, wollte ihn anhalten, erkannte ihn dann. Mit knappem Gruß ging Auric an ihm vorbei.
    Es war gespenstisch. Dort, nicht weit von ihnen entfernt, lagerte der Feind, und nichts hielt ihn davon ab, in just diesem Moment zu den Waffen zu greifen, vorzustürmen und über sie herzufallen. Nichts außer dem Verstand, dem Wissen, was Kämpfe im Dunkeln gegen einen trainierten, disziplinierten Feind wie sie betraf, und der Zuversicht, einer solchen Verzweiflungstat nicht zu bedürfen.
    Er blickte hinweg über die flache Ebene der Nacht und erspähte rechts von

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