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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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der Decke herab hängenden Seilzüge, schwang sich auf den nächsten Laufgang, der ihn von der Kluft – von seinen Verfolgern – weg führte, rannte weiter.
    Ihre Stimmen kamen, hörte er, während er in dem Labyrinth aus Fässern, Ketten und Laufgängen verschwand, ausschließlich aus seinem Rücken, gedämpft durch Reihen von Fässern. Für den Moment war er ihnen also entgangen. Nur für den Moment. Was nichts anderes bedeutete als, er musste hier raus, und zwar schnell.  
    Die direkte Art, einfach den Wachtrupp vor dem Hinterausgang anzugreifen und versuchen durchzubrechen, bedeutete Selbstmord, das war ihm klar. Er war alleine und sie waren zu viele, und außerdem war Verstärkung für sie nie weit entfernt.
    Also eine Ablenkung. Er musste Verwirrung stiften, einen Tumult schaffen, und dann hoffen darin zu entkommen. Wie durch das Umwerfen der Trocknungsrahmen, wie bei den hin und her schwingenden Fässern und Ketten, nur größer.
    Feuer!
    Der Gedanke schoss ihm intuitiv durch den Kopf.
    Gleichzeitig mit der Erinnerung an die Geschichte eines Mitsoldaten, der in einer Phanum-Manufaktur gearbeitet hatte. Eine wüste Geschichte von Brand und Explosionen. Von den Dämpfen, die sich in den Kesseln über den Transparenzsäuren bildeten und die Feuer gefangen hatten. Von einer gewaltigen Explosion, die es gegeben hatte, die den Behälter zerrissen, die ganze Teile des Gebäudes zerstört hatte.  
    Feuer! Eine Vision von Flammen, brennendem Wald und brennenden Menschen wallte in seinem Geist hoch, und der Schweiß brach ihm aus. Weg damit, vorbei, Vergangenheit. Du musst jetzt klar denken. Wie konnte er eines der Fässer zur Explosion bringen, wie konnte er damit ein Chaos schaffen, in dem er nicht selber draufging?
    Er besah sich fieberhaft die Fässer ringsumher, besah sich Seilzüge und Rollenwerk, den Verlauf der Stege und der Stränge von Transportseilen für die Fässer, und dann hatte er eine Idee. Eine verrückte und verzweifelte Idee. Aber die einzige, die ihm im Moment in sein Hirn kommen wollte.
    Er musste schnell sein dabei, es war ein Spiel gegen die Zeit, bevor seine Verfolger ihn wiederfanden und einholten.
    Er lief durch die Reihen auf das Fass zu, das er als geeignet ausgemacht hatte, holte die Zündzange aus seiner Gürteltasche. Hektisch suchten seine Blicke umher, entlang der Balken, Latten und Bohlen. Vielleicht das dort, ja, das musste reichen.
    Mit gezielten Tritten zertrümmerte er einen rissigen Bodenbalken, bog und brach mit den Händen Teile heraus, ohne sich um Schnitte und Splitter zu kümmern.
    Das Fass war eines von jenen, die seitlich einen großen irdenen Befüllungskolben besaßen, mit einem kurzen Einfüllstutzen an seinem Ende. Dort, in einem schräg aufwärts führenden Hohlraum, mussten sich doch gewiss Dämpfe sammeln. Er klemmte einen Span zwischen die auseinander gebogene Zündzange, so, dass wenn dieser heraussprang, der Zünddorn auf das Zündrad sprang. Mithilfe weiterer Splitter und Keile klemmte er die Zündzange so in den Einfüllstutzen, dass der Span zwischen den Gabeln der Zündzange bei der geringsten Erschütterung herausfliegen würde. So hoffte er jedenfalls. Und der Funke die Dämpfe, die sich im Fass über der Säure gebildet hatten, oder die sich im Befüllungskolben befanden – oder sonst wo – entzünden würde. So hoffte er jedenfalls.  
    Es war verrückt und verzweifelt, aber das war der Plan. Vielleicht gelang er, vielleicht lief er schief. Trotzdem, irgendetwas würde dadurch geschehen. Irgendetwas, das er nutzen, irgendetwas, bei dem er draufgehen konnte. Irgendetwas eben.  
    Schon während er sich noch an dem Fass zu schaffen gemacht hatte, hörte er schon Rufe und Schritte, die sich ihm näherten. Seine Verfolger, die den Lärm hörten, den er bei seiner Arbeit verursachte, die, ihn sicher in der Falle wähnend, nun den Abgrund zwischen den Fässerreihen umgangen hatten und ihn einkreisten.
    Das von ihm ausgewählte Fass war das letzte seiner Reihe. Dahinter war nur die kurze, beidseitig von Laufstegen gesäumte Strecke, die das Fass an seinem Rollenzug entlang der Führungskabel nehmen musste, bevor das Balkenwerk des Zwischengeschosses endete und seine Fahrt abwärts in die Tiefe der Halle ging. Sein Blick folgte der Richtung der Schritte und Rufe, und er sah die ersten seiner Verfolger schon hinter Balken und Fässern auftauchen. Er stemmte sich gegen das Fass und schob mit aller Kraft. Nur träge und schwer, an klirrenden, knarrenden,

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