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Der Keil des Himmels

Der Keil des Himmels

Titel: Der Keil des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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an.
    Er überflog eine weitere Reihe von Seiten.
    „Wir könnten sie ergänzen.“ Irrte er sich, oder war das Lächeln im Gesicht des Ninra breiter geworden? „Wir könnten sie komplettieren.“
    „Was ich gehofft hatte, war“, ergriff jetzt endlich der Ninra das Wort, „dass du sie studierst. Wir gehen sie zusammen durch, ich übersetze sie dir. Und du, mit deiner Erfahrung, sagst mir etwas zu Praktikalität und Effektivität.“
    „Ich, einer der neuen Menschen, soll das Wissen deiner uralten Rasse kommentieren?“
    „Du, als jemand, der große praktische Erfahrung mit diesem Gebiet hat, könntest Lehren, die sehr, sehr alt und außerdem unvollständig sind, ergänzen, interpretieren und erweitern. Sie vielleicht erneuern und auf einen zeitgemäßen Stand bringen. Vielleicht kannst du Varianten und Verbesserungen aus deiner Kenntnis verschiedenster Techniken und Lehren beisteuern.“
    „Eine Ergänzung und Abwandlung dieser Schriften?“
    „Vielleicht mehr. Eine Ergänzung, eine Verschmelzung verschiedener Traditionen.“
    „Das käme einer völlig neuen Fechtschule gleich.“
    Er blickte Darachel eindringlich prüfend in die Augen. Meinte der Ninra das ehrlich? Nein, Darachel war zu ernsthaft, um auf solche Art mit jemandem seine Scherze zu treiben. Die Erregtheit, die er innerlich spürte, und die er stoisch von seinen Zügen verbannte, sah er gespiegelt in einer ehrlichen Begeisterung im Gesicht des Ninra.
    Natürlich, sie könnten das miteinander schaffen. Darachel war einer der besten Fechter unter den Ninraé, vielleicht sogar der Beste, er besaß nicht nur die Sprachkenntnisse und die erforderlichen Fähigkeiten ergänzende Schriften ausfindig zu machen, er besaß die Auffassungsgabe sowohl direkt und praktisch zu denken als auch auf höchster intellektueller Ebene zu analysieren und systematisieren. Er hatte wahrscheinlich von all denen in ihrer Gruppe den besten Einblick in das, wovon diese Schriftfragmente ausführlich berichteten, die Kenntnis des Gebietes, das zu einem bloßen System ritueller Abläufe verkommen war.
    Warum nicht, warum nicht?
    Er bemerkte, wie seine Augen fest auf Darachel gerichtet blieben, und er spürte, wie, je länger das Schweigen anhielt, je länger der Moment sich hinzog, dessen Blick unsicherer wurde und sich die Spur einer unausgesprochenen Frage hineinstahl.
    Und er wusste, er musste Klarheit haben.
    Bevor er sich auf ein solches Unterfangen einließ, das ihn noch mehr mit dieser Gruppe von Ninraé verband, bevor er die Zusage zu einer Zusammenarbeit gab, die sie für eine lange Zeit intensiver Arbeit zusammenbrachte, die eine weitere Verknüpfung ihrer Schicksale darstellte, musste ein für ihn undurchdringlicher Nebel von Andeutungen und Vermutungen aus der Welt geschafft werden.  
    Er hatte sich schon einmal in jemandem, den er für seinen Freund hielt getäuscht, und er hatte teuer dafür bezahlt.
    „Darachel.“ Er sah den Ninra durchdringend und ernst an, sah wie auch bei ihm, das Lächeln schwand und einem ernsten Ausdruck wich. Der Ninra musste diesen Moment ebenfalls vorausgesehen haben, musste geahnt haben, dass er irgendwann kommen würde.
    „Darachel, bevor ich zusage, bevor das alles hier“, der Schwenk seiner Hand schloss die ganze Halle und ihre Vorgänge ein, „weitergeht, muss ich einiges von dir erfahren.“

    Darachel hatte es erwartet. Er hatte es nicht in dieser Klarheit und Direktheit erwartet.
    Auric sprach ihn direkt darauf an, was es mit ihnen und ihrer kleinen Gruppe, der Gemeinschaft, die sich um die gebildet hatte, die bei seinem Fund dabei waren, auf sich hatte.
    Ob es sich um so etwas wie eine Verschwörung handelte.
    Eine Verschwörung.  
    Der Menschenmann stand ihm in der Halle der Versammlungen ihres Bundes auf Armesweite gegenüber und sprach dieses Wort so gelassen und ernst aus, während um sie herum seine Genossen ihren intensiven und anstrengenden physischen Übungen nachgingen, schwitzend aber glücklich in ihrer Verausgabung, die ihnen von ihren Enthravanen und den meisten anderen ihrer Gemeinschaft mehr als nur ein kritisches Stirnrunzeln eingebracht hätten.
    Der Menschenmann stand vor ihm, eine Säule an Klarheit und Direktheit, mit seinem von Wunden gezeichneten kompakten, harten trainierten Körper, mit einem Präsentsein in seiner Physis, die sich jeden Vagheiten, jeder Flüchtigkeit von Deutungen und Webungen versagte, die eine Realität setzte wie der Fels dem wandelbaren Wasser des Stroms. Und er fragte ihn,

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