Der Keil des Himmels
entschlossen genug, als würde dich etwas hemmen.“
Das war bemerkenswert. Der Menschenmann sah Schatten des Kunaimra-Zwischenfalls, die ihm selber mit seinen feineren Sinnen entgingen. Allein an ihrem Kampf mit dem Schwert. Er musste an etwas denken, was Nadragír gesagt hatte. Die Physis sei eng verknüpft mit den höchsten Ebenen geistigen Seins, hatte er bemerkt, als sie ihn in den Kammern der Physis besuchten, um zum ersten Mal den Kunaimrakörper in Augenschein zu nehmen.
„Und du, Béal, du bist zu leichtsinnig. Du kannst keiner sich dir bietenden Möglichkeit widerstehen. Du nutzt sie nur allzu bereitwillig, viel zu bestrebt, eine mögliche Attacke auszuführen und dadurch zu glänzen, um wirklich auf deine Deckung zu achten. Denk an Folgendes. Hier kann dir eine solche Attacke in ihrer Ausführung vielleicht Freude bereiten, das Spüren des Physischen, das Aufgehen in der Bewegung. In einem wirklichen Kampf allerdings kostet sie dich dein Leben.“
Auric fuhr kurz fort, indem er die Kampfbewegungen der beiden eingehender kommentierte, schließlich gab er ihnen und den anderen Versammelten neue Übungsanweisungen und wandte sich dann Darachel zu.
„Du kommst zu spät zu den Waffenübungen“, begrüßte Auric ihn, „was für ein seltenes Ereignis.“
„Ich war in unserer Bibliothek, und ich habe dort etwas gefunden“, erklärte er dem Menschenmann, „was für das, was wir hier tun, von großem Interesse ist. Ich denke, dich wird es auch besonders interessieren.“
Er reichte Auric das Buch. Er nahm es, blätterte es durch, sein Blick wurde mit jeder neuen Seite und den Illustrationen, die er darauf sah, interessierter.
„Ist es das, was ich denke?“ Auric blickte von dem Band auf und sah ihn an.
„Allerdings. Ich habe es gefunden; wir hatten kurz darüber gesprochen. Eine alte ninraidische Schwertschule. Leider nur fragmentarisch. Aber das war zu erwarten, nach allem, was ich schon vorher von diesem Werk gehört habe. Einige Quellen halten es für vollkommen verschollen. Es war ein echter Glücksfall, dass ich darauf gestoßen bin.“
Mit wachsendem Eifer blätterte Auric durch die Seiten des Buches, schlug sie rasch um, eine um die andere, hielt inne, um eindringlich eine der Illustrationen und Tafeln zu studieren.
„Naja, vielleicht haben andere auch nicht wirklich gründlich und hartnäckig genug gesucht. Das Gebiet, mit dem sich das Buch beschäftigt, ist etwas aus dem Zentrum unseres Interesses gesunken.“ Er hielt inne, als er bemerkte, dass Auric ihm kaum zuhörte.
Ja, es schien, er hatte da tatsächlich etwas gefunden, was die Aufmerksamkeit des Menschenmanns fesseln konnte.
Eine Fechtlehre.
Schon immer hatte es irgendwo durch seinen Kopf gespukt, irgendwann selber eine Fechtschule zu verfassen. Zu analysieren, zu systematisieren.
Zuerst, als jugendlicher Ehrgeiz und Größenwahn den Gedanken daran hatten aufblitzen lassen, hatte Auric ihn immer wieder als zu vermessen beiseite geschoben. Im Laufe der Zeit war dagegen die Praxis immer wichtiger geworden. Zu einem Zeitpunkt, wo er – wie er jetzt feststellte – die Erfahrung dazu gehabt hätte, hatte die reine Notwendigkeit um des Überlebens willen besser zu werden, dem Gedanken, irgendetwas von seinen Erfahrungen schriftlich festzuhalten, keinen Raum mehr gelassen.
All die verschiedenen Faktoren gingen Auric durch den Kopf: seine ersten Lektionen als Junge in Valgarien, die Merksprüche, das System der erfahrungsbasierenden Sammlung von Präzedenzfällen; das Schwertkampftraining in der idirischen Armee, das Bekanntwerden mit den Traditionen des Kampfes anderer Länder durch andere Mitglieder der Barbarenbataillone, die aus den verschiedensten Erdwinkeln kamen; ihr gemeinsames Ausarbeiten von Techniken der Zusammenarbeit in Kleinkampfgruppen; und schließlich die Fechtstunden mit Karan, das Meistern des Kampfes mit dem idirischen Fechtspeer, eine neue Welt von Möglichkeiten und eine neuartige analytische Art, das Fechten systematisierend und kategorisierend zu sehen – das alles kam zusammen.
Aufgeregt blätterte er die Seiten der in in einen neuen Einband gebundenen Sammlung von Bruchstücken durch, die Darachel ihm gereicht hatte.
Er blickte zu Darachel auf. „Sie ist unvollständig“, sagte er. Obwohl er nur das wiederholte, was der Ninra ihm schon gesagt hatte, nur das Offensichtliche aussprach, sah Darachel ihn nicht wie einen plappernden Idioten sondern mit einem breiten Lächeln im Gesicht
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