Der Keim des Verderbens
Schaltpult.
»Ja«, sagte sie. »Wie sieht es bei Ihnen aus?« Sie blickte zu den Monitoren empor.
»Prima.«
»Ich weiß nicht recht. Können Sie vielleicht noch etwas näher heranzoomen?«
Sie bewegte die Kamera dichter heran, und Martinez holte einen Laserpointer hervor. Er richtete den leuchtend roten Punkt auf den Grenzabschnitt zwischen Maryland und Virginia, der durch die Chesapeake Bay und im Norden von Tangier mitten durch Smith Island verlief.
»Nördlich von Tangier in Richtung Fishing Bay und Island Nanticoke River gibt es eine Reihe von Inseln: Smith Island, South Marsh Island, Bloodsworth Island.« Der rote Punkt hüpfte von einer zur anderen. »Dann kommt das Festland.
Und hier unten liegt Crisfield, nur fünfzehn Seemeilen von Tangier entfernt.« Er sah uns an. »In Crisfield bringen viele Fischer ihren Krabbenfang ein. Und zahlreiche Einwohner von Tangier haben Verwandte in Crisfield. Das macht mir große Sorgen.«
»Ich fürchte, daß die Leute auf Tangier sich nicht sehr kooperativ zeigen werden«, sagte Miles. »Wenn wir die Insel unter Quarantäne stellen, werden sie von ihrer einzigen Einkommensquelle abgeschnitten.«
»Ja, Sir«, sagte Martinez und schaute auf seine Uhr. »Wir haben bereits damit angefangen. Aus der gesamten Gegend, sogar aus Elizabeth City kommen Boote und Küstenwachschiffe, um uns zu helfen, die Insel einzukreisen.«
»Also kann da momentan niemand weg«, sagte Fujitsubo, dessen Gesicht immer noch majestätisch auf dem Monitor über uns schwebte.
»Richtig.«
»Gut.«
»Was ist, wenn die Leute dort Widerstand leisten?« sprach ich die nächstliegende Frage aus. »Was werden Sie mit denen machen? Sie können sie schließlich nicht verhaften und damit eine Ansteckung riskieren.«
Martinez zögerte. Er blickte zu Fujitsubo empor. »Commander, möchten Sie diese Frage vielleicht beantworten, Sir?« fragte er.
»Das haben wir bereits in aller Ausführlichkeit diskutiert«, erklärte Fujitsubo. »Ich habe mit dem Verkehrsminister gesprochen, mit Vice Admiral Perry und natürlich mit dem Verteidigungsminister. Kurz und gut, diese Angelegenheit wird auf dem schnellsten Weg dem Präsidenten vorgelegt, und wir warten nur noch auf die Ermächtigung.«
»Ermächtigung wozu?« Das war Miles.
»Von der Schußwaffe Gebrauch zu machen, wenn alle anderen Mittel versagen«, sagte Martinez an uns alle gewandt.
»Mein Gott«, stieß Wesley hervor.
Fassungslos hörte ich zu und starrte zu diesen Männern hinauf, die sich zu Herren über Leben und Tod machten.
»Wir haben keine andere Wahl«, sagte Fujitsubo ruhig.
»Wenn die Leute in Panik geraten und anfangen, von der Insel zu flüchten, anstatt den Warnungen der Küstenwache Folge zu leisten, dann werden sie - soviel steht fest - die Pocken aufs Festland bringen. Und bedenken Sie, daß unter der Bevölkerung schon seit dreißig Jahren keine Impfkampagnen mehr durchgeführt worden sind. Die letzten Impfungen haben vor so langer Zeit stattgefunden, daß sie heute nicht mehr wirksam sind. Und dieses neue Virus ist eine Mutation, gegen die unser gegenwärtiger Impfstoff möglicherweise nicht schützt. Mit anderen Worten: Es kann nur böse enden.«
Ich wußte nicht, ob mir so speiübel war, weil ich kränkelte oder aufgrund dessen, was ich gerade gehört hatte. Ich dachte an jenes verwitterte Fischerdorf mit seinen schiefen Grabsteinen und den rauhen, stillen Menschen, die einfach nur in Ruhe gelassen werden wollten. Befehle zu befolgen war nicht ihre Art, denn sie gehorchten höheren Mächten - Gott und den Stürmen.
»Es muß doch einen anderen Weg geben«, sagte ich.
Aber es gab keinen.
»Pocken sind bekanntermaßen eine hochansteckende Infektionskrankheit. Der Seuchenherd muß unbedingt isoliert werden«, erklärte Fujitsubo, was ohnehin allen klar war. »Stubenfliegen, die um die Patienten herumschwirren, Krabben, die fürs Festland bestimmt sind - all das kann eine Gefahr bedeuten. Woher sollen wir um Himmels willen wissen, ob diese Krankheit nicht wie die Tanapocken auch durch Mückenstiche übertragen wird? Da wir das Virus bisher nicht endgültig identifizieren konnten, haben wir keine Ahnung, was alles ein Risiko darstellt.«
Martin sah mich an. »Wir haben bereits Spezialteams dort draußen, Krankenschwestern, Ärzte, Isolierbetten, damit diese Menschen nicht ins Krankenhaus müssen, sondern zu Hause bleiben können.«
»Was ist mit den Leichen und der Kontamination?« fragte ich ihn.
»Laut Gesetz handelt es
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