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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wollte ich auch nicht vorschlagen.«
    »Es käme doch sowieso nur wieder aufs gleiche hinaus.«
    »Diesmal nicht. Versprochen.« Er sah auf die Wanduhr. »Paß auf, es ist schon spät. Ich bleibe einfach in der Stadt, und wir essen zusammen zu Abend. Wie wär das?«
    Ich war hin und her gerissen. Einerseits scheute ich mich davor, andererseits hätte ich es auch nicht ertragen können, ihn nicht noch mal zu sehen.
    »Na gut«, sagte ich. »Um sieben bei mir. Ich werd' etwas improvisieren. Erwarte nichts Besonderes.«
    »Wir können auch essen gehen. Ich möchte nicht, daß du dir unnötige Mühe machst.«
    »Geselligkeit ist das letzte, was ich jetzt brauche«, sagte ich.
    Sein Blick verweilte noch ein wenig auf mir, während ich Schilder und Röhrchen und verschiedene Arten von Behältern beschriftete. Seine Absätze knallten hart auf den Fliesen, als er ging, und ich hörte, wie sich auf dem Flur die Aufzugtüren öffneten und er mit jemandem sprach. Sekunden später kam Wingo herein.
    »Ich wär' ja eher gekommen.« Er ging zu einem Wagen und begann, sich neue Überschuhe und Handschuhe anzuziehen und eine Maske umzubinden. »Aber das ist der reinste Zoo da oben.«
    »Was soll das heißen?« fragte ich und löste die Bänder meines OP-Kittels, während er in einen neuen schlüpfte.
    »Reporter.« Er setzte eine Schutzbrille auf und sah mich durch transparentes Plastik hindurch an. »In der Lobby. Sie haben mit ihren Übertragungswagen das Gebäude umstellt.«
    Er machte ein betretenes Gesicht. »Ich sage es Ihnen nur ungern, aber jetzt hat Channel Eight Sie eingekeilt. Der Übertragungswagen steht so hinter Ihrem, daß Sie nicht rauskönnen, und niemand sitzt drin.«
    Maßlose Wut stieg in mir auf. »Rufen Sie die Polizei und lassen Sie ihn abschleppen«, rief ich ihm aus dem Umkleideraum zu. »Sie machen hier alles fertig. Ich gehe nach oben und kümmere mich um die Journalisten.«
    Ich knüllte meinen Kittel zusammen, feuerte ihn in die Wäschetonne und riss mir Handschuhe, Überschuhe und Haube herunter. Energisch schrubbte ich mir mit antibakterieller Seife die Hände und riss dann ungewohnt fahrig meinen Spind auf. Ich war mit den Nerven am Ende: Dieser Fall, die Presse, Wesley, all das setzte mir ganz schön zu.
    »Dr. Scarpetta?«
    Wingo stand plötzlich in der Tür, während ich noch mit den Knöpfen an meiner Bluse kämpfte. Daß er einfach hereinkam, während ich mich umzog, war nichts Neues. Das war für uns beide die natürlichste Sache der Welt, denn seine Gegenwart störte mich so wenig wie die einer Frau.
    »Ich wollte fragen, ob Sie einen Moment Zeit hätten .« Er zögerte. »Na ja, ich weiß, daß Sie heute sehr beschäftigt sind.«
    Ich schleuderte die blutigen Reeboks in meinen Spind und schlüpfte in die Schuhe, die ich auf dem Weg zur Arbeit getragen hatte. Dann zog ich meinen Laborkittel an.
    »Hören Sie, Wingo« - ich riss mich zusammen, denn ich wollte meine Wut nicht an ihm auslassen - »auch ich würde gern mit Ihnen reden. Wenn Sie hier unten fertig sind, kommen Sie doch in mein Büro.«
    Er brauchte es mir nicht erst zu sagen. Ich hatte das Gefühl, daß ich es bereits wußte. Ich fuhr mit dem Aufzug nach oben, und meine Stimmung verdunkelte sich wie der Himmel vor einem Sturm. Wesley war immer noch in meinem Büro und studierte das Bild auf meinem Monitor. Ohne meinen Schritt zu verlangsamen, ging ich weiter den Flur hinunter. Rose war es, die ich suchte. Am Empfang hatten die Angestellten alle Hände voll zu tun, die Flut eingehender Anrufe zu bewältigen, während meine Sekretärin und mein Verwalter an einem Fenster standen, von dem aus man den Parkplatz vorm Haus sehen konnte.
    Der Regen hatte keineswegs nachgelassen, doch offenbar ließ sich kein einziger Journalist, Kameramann oder Fotograf dieser Stadt davon abschrecken. Es grenzte an Massenhysterie: Die Story musste ja ein Knüller sein, wenn alle deswegen solch einem Guß trotzten.
    »Wo sind Fielding und Grant?« erkundigte ich mich nach meinem Stellvertreter und dem diesjährigen Referendar.
    Mein Verwalter war ein pensionierter Sheriff, der eine Vorliebe für Eau de Cologne und flotte Anzüge hatte. Er trat vom Fenster zurück. Rose hingegen sah weiter hinaus.
    »Dr. Fielding ist beim Gericht«, sagte er. »Dr. Grant musste weg, weil sein Keller unter Wasser steht.«
    Rose drehte sich um, und ihre Augen funkelten angriffslustig wie die eines Tieres, das sein Revier verteidigt. »Ich habe Jess in die Registratur

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