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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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trotzig zugleich.
    »Ich werde ganz allein sein, wie schon mein ganzes Leben.«
    »Hören Sie zu.« Ich wartete, bis er sich beruhigt hatte. »Sie werden nicht allein sein. Sie haben ja mich.«
    Er brach wieder in Tränen aus, verbarg sein Gesicht und gab so laute Geräusche von sich, daß man sie mit Sicherheit bis auf den Flur hören konnte.
    »Ich werde für Sie da sein«, versprach ich und stand auf.
    »Und jetzt möchte ich, daß Sie nach Hause gehen. Ich möchte, daß Sie das einzig Richtige tun und es Ihren Freunden sagen. Morgen unterhalten wir uns noch mal darüber und überlegen, wie wir am besten mit der Situation umgehen. Ich brauche den Namen Ihres Arztes und Ihre Erlaubnis, mit ihm zu reden.«
    »Dr. Alan Riley. Vom MCV.«
    Ich nickte. »Ich kenne ihn. Ich möchte, daß Sie ihn gleich morgen früh anrufen. Sagen Sie ihm, daß ich mich bei ihm melden werde und daß Sie ihm gestatten, mit mir über Sie zu reden.«
    »Okay.« Er schaute mich verstohlen an. »Aber Sie werden ... Sie sagen doch niemandem was.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte ich mit Nachdruck.
    »Ich will nicht, daß irgend jemand hier davon weiß. Auch nicht Marino. Auf keinen Fall.«
    »Niemand wird es erfahren«, sagte ich. »Zumindest nicht von mir.«
    Er stand langsam auf und ging mit so unsicheren Schritten zur Tür, als wäre er betrunken. »Sie werden mich doch nicht feuern, oder?« Seine Hand lag auf dem Türknauf, und er sah mich mit geröteten Augen an.
    »Wingo, um Himmels willen«, sagte ich betroffen. »Ich hatte gehofft, Sie würden mehr von mir halten.«
    Er öffnete die Tür. »Ich halte mehr von Ihnen als von irgend jemand sonst.« Wieder kamen ihm die Tränen. Er wischte sie mit seinem Hemd ab und entblößte dabei seinen mageren nackten Bauch. »Schon immer.«
    Seine Schritte hallten über den Flur, den er geradezu hinunterlief, und dann erklang die Aufzugglocke. Ich lauschte, wie er das Gebäude verließ, hinaus in eine Welt, der sein Schicksal vollkommen gleichgültig war. Ich stützte die Stirn auf meine Faust und schloss die Augen.
    »Lieber Gott«, murmelte ich, »hilf!«

Kapitel 5
    Es regnete immer noch heftig, als ich nach Hause fuhr. Auf den Straßen herrschte ein furchtbarer Verkehr, denn die I-64 war wegen eines Unfalls in beiden Richtungen gesperrt. Feuerwehrautos und Krankenwagen standen auf der Straße, Rettungsleute brachen Türen auf und eilten mit Tragen und Unterlegbrettern hin und her. Glasscherben glitzerten auf dem nassen Asphalt, Autofahrer fuhren langsamer, weil sie die Verletzten sehen wollten. Ein Wagen hatte sich mehrfach überschlagen und dann Feuer gefangen. Bei einem anderen erblickte ich Blut an der zertrümmerten Windschutzscheibe.
    Das Lenkrad war verbogen. Was das bedeutete, wusste ich, und ich betete für die Opfer. Ich hoffte, ich würde sie nicht bei mir im Leichenschauhaus wiedersehen.
    In Carytown fuhr ich bei P. T. Hasting's vor. Dieser Laden mit seiner Dekoration aus Fischernetzen und Korkschwimmern verkaufte die besten Meeresfrüchte der Stadt. Als ich eintrat, stieg mir der pikante, aromatische Duft von Fisch und Old-Bay-Gewürzmischung in die Nase, und die Filets auf dem Eis der Kühlvitrinen sahen dick und frisch aus. Hummer mit zusammengebundenen Scheren krochen in ihren Aquarien umher. Von mir drohte ihnen keine Gefahr. Ich war nicht dazu imstande, etwas Lebendiges zu kochen, und hätte niemals das Fleisch von Rindern oder Schweinen angerührt, die ich vorher in lebendigem Zustand zu Gesicht bekommen hätte. Ich konnte noch nicht einmal Fische fangen, ohne sie wieder ins Wasser zurückzuwerfen.
    Ich überlegte gerade, wonach mir der Sinn stand, als Bev aus der Küche herauskam.
    »Was können Sie heute besonders empfehlen?« fragte ich sie.
    »Na, wen haben wir denn da?« rief sie erfreut und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Da Sie so ziemlich der einzige Mensch sind, der sich bei dem Regen vor die Tür wagt, haben Sie die große Auswahl.«
    »Ich hab' nicht viel Zeit. Ich brauche etwas, das leicht zuzubereiten ist und nicht so schwer im Magen liegt.«
    Ein Schatten flog über ihr Gesicht, während sie ein Glas Meerrettich öffnete. »Na, ich kann mir denken, was Sie jetzt um die Ohren haben«, sagte sie. »Ich hab's in den Nachrichten gehört.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich wette, Sie gehen auf dem Zahnfleisch. Sie kriegen doch bestimmt kein Auge zu. Kommen Sie, ich sag' Ihnen, was Sie sich heute abend Gutes tun.«
    Sie ging zu einer Kiste mit gekühlten

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