Der Keim des Verderbens
seiner bisherigen Opfer. Das sieht toll aus«, sagte er angesichts meiner Kochkünste.
Als wir uns wieder gesetzt hatten, erklärte ich im Brustton der Überzeugung: »Benton, es ist nicht derselbe Täter.«
Er zögerte, bevor er antwortete: »Wenn ich ehrlich sein soll, halte ich das auch für unwahrscheinlich. Aber ich will es trotzdem nicht ausschließen. Wir wissen nicht, was für Spielchen er möglicherweise mit uns treibt.«
Wieder ergriff mich müde Resignation. Meine Intuition, mein Instinkt sagten mir, daß ich recht hatte, aber es gab keine Beweise.
»Also, ich glaube nicht, daß es zwischen dem Mord an dieser alten Frau und den bisherigen Fällen hier oder in Irland eine Verbindung gibt. Da will uns jemand irreführen. Ich fürchte, wir haben es mit einem Nachahmungstäter zu tun.«
»Das werden wir bei der Besprechung mit den anderen erörtern. Ich glaube, Donnerstag hatten wir gesagt.« Er probierte eine Krabbenfrikadelle. »Mann, das schmeckt wirklich unglaublich gut.« Seine Augen tränten. »Na, das nenn' ich eine Cocktailsauce!«
»Ein inszenierter Mord. Um die wahren Gründe, aus denen er begangen wurde, zu verschleiern«, sagte ich. »Und lob mich nicht allzusehr. Das Rezept ist von Bev.«
»Das Foto beunruhigt mich«, sagte er.
»Mich auch.«
»Ich habe mit Lucy darüber gesprochen«, sagte er. Das ließ mich aufhorchen.
»Sag Bescheid, wenn du möchtest, daß sie herkommt.« Er griff nach seinem Weinglas.
»Je eher sie kommt, desto besser.« Ich hielt inne und fügte dann hinzu: »Wie macht sie sich denn so? Nicht, daß sie mir nichts erzählt, aber ich möchte deine Einschätzung hören.«
Ich bemerkte, daß wir noch Wasser brauchten, und stand auf, um welches zu holen. Als ich zurückkehrte, starrte er mich schweigend an. Manchmal fiel es mir schwer, ihm ins Gesicht zu sehen. Meine Gefühle gerieten in Mißklang wie verstimmte Instrumente. Ich liebte seine feingeschnittene Nase mit ihrem schnurgeraden Rücken, seine Augen, die mich in nie gekannte Abgründe ziehen konnten, und seinen Mund mit der sinnlichen Unterlippe. Ich sah aus dem Fenster und konnte den Fluß nicht mehr erkennen.
»Lucy«, erinnerte ich ihn. »Ihre Tante wüßte gern, wie sie sich in ihrem Job so macht.«
»Niemand bereut, daß wir sie engagiert haben«, sagte er trocken, dabei wusste er so gut wie wir alle, daß Lucy ein Genie war. »Das ist vermutlich die Untertreibung des Jahrhunderts. Sie ist einfach phantastisch. Mittlerweile wird sie von den meisten Agenten respektiert. Sie sind froh, daß sie da ist. Das soll nicht heißen, daß es keine Probleme gibt. Nicht jeder findet es gut, daß eine Frau beim HRT arbeitet.«
»Ich mache mir nach wie vor Sorgen, daß sie sich zuviel zumuten könnte«, sagte ich.
»Nun ja, sie ist höllisch fit, soviel steht fest. Ich würde es keinesfalls mit ihr aufnehmen wollen.«
»Das meine ich eben. Sie will mit den anderen mithalten, auch wenn das gar nicht möglich ist. Du kennst sie ja. Sie will sich immer beweisen. Wenn die Männer sich aus Hubschraubern abseilen und mit Dreißig-Kilo-Rucksäcken durch die Berge rennen, glaubt sie, sie müsste da mithalten. Dabei sollte sie stolz auf ihre technischen Fähigkeiten sein und sich mit ihren Robotern und dem ganzen Kram begnügen.«
»Du vergißt ihren größten Ansporn, ihren größten Dämon«, sagte er.
»Was meinst du?«
»Dich. Sie glaubt, sie müsste dir etwas beweisen, Kay.«
»Dazu hat sie gar keinen Grund.« Seine Worte taten mir weh.
»Ich möchte nicht das Gefühl haben, daß ich daran schuld bin, wenn sie ihr Leben aufs Spiel setzt.«
»Es geht hier nicht um Schuld«, sagte er und stand vom Tisch auf. »Es geht um die menschliche Natur. Lucy betet dich an.
Du bist die einzig vernünftige Mutterfigur, die sie je in ihrem Leben gehabt hat. Sie möchte sein wie du, und sie glaubt, daß die Leute sie mit dir vergleichen. Und da hat sie sich ganz schön was vorgenommen. Sie möchte, daß auch du sie bewunderst, Kay.«
»Meine Güte, ich bewundere sie doch.« Auch ich stand auf, und wir begannen den Tisch abzudecken. »Jetzt mache ich mir erst recht Sorgen.«
Er spülte das Geschirr ab, und ich räumte den Geschirrspüler ein.
»Das solltest du wohl auch.« Er warf mir einen Blick zu. »Ich sag' dir eins, sie ist eine typische Perfektionistin. Sie hört auf niemanden. Abgesehen von dir ist sie der dickköpfigste Mensch, dem ich je begegnet bin.«
»Vielen Dank.«
Er lächelte und legte die Arme um mich,
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