Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
weiter.«
    »Falls er tatsächlich dahintersteckt. Aber das sei dahingestellt. Die Schwierigkeit liegt darin, Beweise zu finden.«
    »Für mich besteht da überhaupt kein Zweifel.«
    »Kay, das reicht nicht. Wir können niemanden aufgrund von Vermutungen von einem Fall abziehen.«
    »Marino sind Gerüchte zu Ohren gekommen, denen zufolge Ring eine Affäre mit einer ziemlich prominenten Frau vom Lokalfernsehen hat«, sagte ich. »Sie arbeitet bei dem Sender, der den Unsinn verbreitet hat, das Opfer sei asiatischer Herkunft.«
    Er schwieg. Ich wusste, daß ihm das als Beweis nicht genügte, und er hatte recht. Ich musste mir eingestehen, daß all das wenig stichhaltig war.
    Dann sagte er: »Der Kerl ist nicht zu unterschätzen. Kennst du seinen Background?«
    »Ich weiß überhaupt nichts über ihn«, antwortete ich.
    »Er hat am William and Mary College ein Doppelstudium in Psychologie und Verwaltungswissenschaft absolviert und mit Auszeichnung abgeschlossen. Sein Onkel ist der Innenminister.« Es wurde immer schlimmer.
    »Harlow Dershin, übrigens ein ehrbarer Mann. Aber es dürfte wohl klar sein, daß das nicht die besten Voraussetzungen sind, um mit irgendwelchen Anschuldigungen zu kommen, die man nicht hundertprozentig beweisen kann.«
    Der Innenminister war der direkte Vorgesetzte des Polizeipräsidenten. Rings Onkel hätte schon Gouverneur sein müssen, um noch einflußreicher zu sein.
    »Du meinst also, Ring ist unantastbar«, sagte ich.
    »Ich meine, aus seinem Werdegang kann man ersehen, daß er hoch hinauswill. Solche Leute wollen Chief, Commissioner oder Politiker werden. Einfacher Cop zu sein interessiert die nicht.«
    »Solche Leute interessieren sich nur für sich selbst«, sagte ich gereizt. »Ring sind die Opfer oder die Hinterbliebenen, die gar nicht wissen, was ihrer Angehörigen zugestoßen ist, völlig gleichgültig. Es ist ihm egal, ob noch jemand umgebracht wird.«
    »Beweise!« mahnte er. »Fairneßhalber muss man sagen, daß es eine Menge Leute gibt, die Informationen an die Presse weitergegeben haben könnten - nicht zuletzt die Männer, die auf der Deponie arbeiten.«
    Darauf wusste ich nichts zu entgegnen, aber dennoch konnte mich nichts von meinem Verdacht abbringen.
    »Wichtig ist, daß wir diese Fälle lösen«, fuhr er fort, »und das wird uns am ehesten gelingen, wenn sich jeder von uns um seine eigenen Angelegenheiten kümmert und Ring ignoriert, so wie Marino und Grigg es tun. Wir müssen jeder erdenklichen Spur nachgehen, trotz aller Stolpersteine, die uns in den Weg gelegt werden.« Als unsere Blicke sich begegneten, sahen seine Augen in dem von oben einfallenden Licht fast bernsteinfarben und weich aus.
    Ich schob meinen Stuhl zurück. »Wir sollten den Tisch decken.«
    Er holte das Geschirr aus dem Schrank und öffnete die Weinflasche, während ich die gekühlten Garnelen auf Tellern arrangierte und Bevs Merrettichsauce extrascharf in ein Schälchen füllte. Ich halbierte Zitronen, schlug sie in Gaze ein und formte Krabbenfrikadellen. Als wir die Garnelencocktails aßen, wurde es im Osten bereits dunkel. Es war schon fast Abend.
    »Das habe ich vermißt«, sagte er. »Ehrlich - auch wenn du es vielleicht nicht hören willst.«
    Ich sagte nichts, denn ich hatte nicht vor, mich wieder auf eine dieser stundenlangen Diskussionen einzulassen, bei denen doch nichts herauskam, außer daß wir am Ende beide total zermürbt waren.
    »Wie auch immer.« Er legte die Gabel so auf seinen Teller, wie wohlerzogene Menschen es tun, wenn sie mit dem Essen fertig sind. »Danke. Dr. Scarpetta, Sie haben mir gefehlt.« Er lächelte.
    »Ich bin froh, daß Sie hier sind, Special Agent Wesley.«
    Ich lächelte zurück und stand auf. Während er den Tisch abdeckte, schaltete ich den Herd ein und erhitzte in einer Pfanne Öl.
    »Und jetzt sage ich dir, was ich mir zu dem Foto überlegt habe, das dir geschickt wurde«, sagte er. »Zuerst müssen wir den Nachweis erbringen, daß der Leichnam, den es zeigt, tatsächlich derselbe ist, den du heute obduziert hast.«
    »Das mache ich Montag.«
    »Angenommen, er ist es«, fuhr er fort, »dann läge darin eine eklatante Abweichung vom bisherigen Modus operandi.«
    »Nicht nur darin.« Die Krabbenfrikadellen landeten in der Pfanne und begannen zu brutzeln.
    »Stimmt«, sagte er und trug den Coleslaw auf. »Die Abweichungen sind diesmal so auffällig, als wollte er uns mit der Nase darauf stoßen. Und dann paßt die Frau natürlich überhaupt nicht in die Reihe

Weitere Kostenlose Bücher