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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Hause und war stets beschäftigt und in Eile. Vander hatte mich in all den Jahren, die ich ihn kannte, nie beim Vornamen genannt oder auf irgendwelche Privatangelegenheiten angesprochen. Doch auf seine ganz persönliche Art zeigte er mir trotzdem, wieviel ihm an mir lag. Manchmal war es ein morgendlicher Doughnut auf meinem Schreibtisch oder im Sommer ein paar Tomaten aus seinem Garten.
    Er war dafür bekannt, daß er auf einen Blick sagen konnte, ob zwei Fingerabdrücke übereinstimmten oder nicht. Zudem war er unser Experte für Bildbearbeitung am Computer und hatte sogar eine Ausbildung bei der NASA genossen. Im Laufe der Jahre hatten wir beide auf verschwommenen Fotos unzählige Gesichter hervorgezaubert. Wir hatten Schrift erscheinen lassen, wo vorher keine war, Durchgedrücktes lesbar gemacht und Ausradiertes restauriert. Theoretisch eine simple Sache, in der Praxis jedoch höchst diffizil.
    Ein hochauflösendes Bildbearbeitungssystem kann zweihundertsechsundfünzig Grautöne unterscheiden, das menschliche Auge maximal zweiunddreißig. Daher sieht ein Computer, in den man etwas einscannt, mehr als wir. Möglicherweise hatte deadoc uns mit seinen Fotos mehr verraten, als er ahnte.
    Unsere erste Aufgabe bestand an diesem Morgen darin, dem ersten Bild, das ich per E-Mail erhalten hatte, ein Foto des Rumpfes aus der Leichenhalle gegenüberzustellen.
    »Hier mache ich es ein bisschen grauer«, sagte Vander, während er die Computertastatur bearbeitete. »Und das hier drehe ich ein wenig.«
    »Schon besser«, stimmte ich zu.
    Gebannt saßen wir nebeneinander vor dem Neunzehn Zoll Monitor. Daneben lagen beide Fotos auf dem Scanner, und eine Videokamera übermittelte die Bilder live auf den Bildschirm.
    »Ein bisschen mehr davon.« Eine weitere Grauschattierung ergoß sich über den Schirm. »Ich glaube, ich geh' dem hier noch einen kleinen Schubs.«
    Er langte zum Scanner hinüber und rückte eins der Fotos zurecht. Dann setzte er einen anderen Filter vor das Objektiv der Kamera.
    »Ich weiß nicht recht«, sagte ich, die Augen auf den Monitor geheftet. »Ich finde, vorher war es besser zu erkennen. Vielleicht sollten Sie es etwas mehr nach rechts rücken«, fügte ich hinzu, als wären wir dabei, Bilder aufzuhängen.
    »Besser. Aber da ist immer noch ein ziemlich starkes Grundrauschen. Das wäre ich gern los.«
    »Ich wünschte, wir hätten das Original. Wie hoch ist die radiometrische Auflösung von dem Ding?« fragte ich und meinte die Zahl der Grautöne, die das System unterscheiden konnte.
    »Sehr viel höher als früher. Ich glaube, seit der Anfangszeit hat sich die Anzahl der Pixel, die digitalisiert werden können, verdoppelt.«
    Pixel sind, ähnlich wie die Punkte bei einem Matrixdrucker, die kleinsten Elemente eines digitalisierten Bildes, die Moleküle, die impressionistischen Farbtupfer, aus denen sich ein Gemälde zusammensetzt.
    »Wir haben ein paar staatliche Gelder bewilligt bekommen, wissen Sie. Ich träume davon, daß wir hier eines Tages mit UV-Licht arbeiten werden. Sie können sich gar nicht vorstellen, was ich mit Cyanacrylat alles anstellen könnte«, fuhr er fort. Er sprach von Superkleber, der mit Bestandteilen des menschlichen Schweißes reagiert und sich hervorragend zur Sichtbarmachung von Fingerabdrücken eignet, die mit bloßem Auge schwer zu erkennen sind.
    »Na, dann viel Glück«, sagte ich, denn Geld war immer knapp, egal, wer gerade im Weißen Haus saß.
    Er rückte das Foto noch einmal zurecht, setzte einen blauen Filter vor das Objektiv der Kamera und hellte das Bild auf, indem er die helleren Pixelelemente vermehrte. Er hob horizontale Details hervor und schwächte vertikale ab. Die beiden Rümpfe lagen nun Seite an Seite. Schatten tauchten auf, und die grausigen Einzelheiten traten schärfer und kontrastreicher hervor.
    »Hier können Sie die Knochenenden sehen.« Ich zeigte sie ihm. »Das linke Bein wurde gleich unterhalb des unteren Trochanter abgetrennt. Das rechte« - ich ließ meinen Finger über den Bildschirm gleiten - »etwa einen Zentimeter tiefer, mitten durch den Knochenschaft.«
    »Ich würde zu gern den Aufnahmewinkel und die perspektivische Verzerrung korrigieren«, murmelte er. Er führte oft Selbstgespräche. »Aber ich kenne ja die ganzen Abmessungen nicht. Schade, daß derjenige, der diese Fotos gemacht hat, nicht freundlicherweise ein Lineal als Maßstab danebengelegt hat.«
    »Dann würd' ich es aber wirklich mit der Angst bekommen«, erwiderte ich.
    »Das ist

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