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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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heute?« fragte ich, denn das ließ sich für gewöhnlich an der Kleidung der Leute erkennen.
    »Nee, zum Glück nicht«, sagte er. »Ich wette, Sie wollen sich nach Ihren Fasern erkundigen.«
    »Ich war gerade in der Nähe«, sagte ich. »Dachte, ich schau' mal vorbei.«
    Meine drängelnden Besuche in den Labors waren berüchtigt, doch im großen und ganzen ertrugen die Wissenschaftler meine fordernde Art geduldig und waren letztlich froh darüber. Ich wusste, daß sie auch so schon alle Hände voll zu tun hatten, aber wenn Menschen ermordet und zerstückelt wurden, war rasches Handeln geboten.
    »Na, dank Ihnen brauche ich mich mal eine Weile nicht um unseren Rohrbomber zu kümmern«, sagte er und lächelte wieder.
    »Dann sind Sie mit dem wohl noch nicht weitergekommen«, vermutete ich.
    »Letzte Nacht hat es wieder einen Anschlag gegeben. An der I-195 North in der Nähe der Laburnum Avenue, direkt vor der Nase der Spezialeinheit. Sie wissen schon, wo früher das Revier 3 war. Nicht zu glauben, was?«
    »Hoffen wir, daß der auch weiterhin bloß Verkehrsschilder in die Luft jagt«, sagte ich.
    »Allerdings.« Er trat von der UV-Lampe zurück und wurde auf einmal sehr ernst. »Bislang habe ich in dem, was Sie mir geschickt haben, folgendes gefunden: textile Fasern, die am Knochen hafteten. Haare. Und am Blut klebten noch andere Rückstände.«
    »Ihre Haare?« fragte ich perplex, denn die langen grauen Haare hatte ich gar nicht an Koss geschickt. Das war nicht sein Spezialgebiet.
    »Unterm Mikroskop sahen sie mir nicht menschlich aus«, antwortete er. »Möglicherweise stammen sie von zwei verschiedenen Tieren. Ich habe die Haare an Roanoke weitergeleitet.«
    Im ganzen Staat gab es nur einen Haarexperten, und der saß in den kriminaltechnischen Labors des westlichen Bezirks.
    »Was ist mit den anderen Rückständen?«
    »Ich tippe auf Müll von der Deponie. Aber ich möchte mir das noch unter dem Elektronenmikroskop ansehen. Was ich jetzt unter dem UV-Licht habe, sind Fasern«, fuhr er fort.
    »Eigentlich sind es nur Fragmente. Ich habe sie vorher in ein Ultraschallbad mit destilliertem Wasser gelegt, um das Blut zu entfernen. Wollen Sie mal einen Blick darauf werfen?«
    Er machte mir Platz, damit ich durch das Mikroskop sehen konnte, und der Duft von Obsession stieg mir in die Nase. Ich musste lächeln, denn das erinnerte mich an die Zeit, als ich in seinem Alter war und noch die Energie hatte, mich herauszuputzen. Drei Fragmente, die wie Neonlicht fluoreszierten, lagen auf dem Objektträger. Sie stammten von einem weißen oder eierschalenfarbenen Stoff, und eins war mit einer Art glitzernden Goldpartikeln gesprenkelt.
    »Was in aller Welt ist das?« Ich schaute zu ihm hoch.
    »Unterm Stereomikroskop sieht es aus wie eine Chemiefaser«, erwiderte er. »Die Fasern sind regelmäßig geformt und von gleichmäßiger Dicke, so als seien sie durch Spinndüsen gepreßt worden. Naturfasern wie Baumwolle sind unregelmäßiger geformt.«
    »Und die fluoreszierenden Partikel?« Ich sah immer noch durch das Okular.
    »Da wird's interessant«, sagte er. »Ich muss zwar noch weitere Tests machen, aber auf den ersten Blick sieht es aus wie Farbe.«
    »Was für Farbe?« fragte ich nach kurzer Überlegung.
    »Sie ist nicht so fein und eben wie Autolack, sondern rauher, körniger. Offenbar ein heller Eierschalenton. Ich denke, es handelt sich um Wandfarbe.«
    »Sind dies die einzigen Fasern beziehungsweise Fragmente, die Sie untersucht haben?«
    »Ich fang' ja gerade erst an.« Er ging zu einem anderen Arbeitstisch und zog einen Hocker darunter hervor. »Ich habe mir alle unter UV-Licht angesehen. Etwa fünfzig Prozent davon sind mit dieser farbähnlichen Substanz getränkt. Ich kann zwar nicht mit Sicherheit sagen, um was für ein Material es sich handelt, aber es steht zumindest fest, daß alle Proben, die Sie mir geschickt haben, gleichen Fabrikats und vermutlich auch gleichen Ursprungs sind.«
    Er legte einen Objektträger unter das Objektiv eines Polarisationsmikroskops, das wie eine Ray-Ban-Sonnenbrille störende Reflexe reduziert und Licht in verschiedene Wellen mit unterschiedlichem Brechungsindex aufspaltet. Vielleicht würden wir dadurch einen weiteren Hinweis darauf bekommen, mit was für einem Material wir es hier zu tun hatten.
    »Also«, sagte er, während er die Schärfe einstellte und konzentriert ins Mikroskop starrte. »Dies ist das größte Fragment, das wir gefunden haben. Es ist etwa so groß wie ein

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