Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
auch mir den Rücken decken«, sagte ich zu ihm. »Ich ruf Sie später an und erzähle Ihnen, wie es gelaufen ist.«
    »Okay. Wenn Sie Ring sehen, drehen Sie ihm von mir den Hals um«, sagte er.
    Als ich bei der Academy ankam, winkte der Wachmann in seinem Häuschen mich gleich durch. Mittlerweile kannte er meinen Wagen und mein Nummernschild. Der Parkplatz war so voll, daß ich mein Auto fast im Wald abstellen mußte. An den Schießständen auf der anderen Seite der Straße war bereits das morgendliche Schußwaffentraining im Gange, und die Agenten des Drogendezernats waren in Tarnanzügen unterwegs und umklammerten mit grimmiger Miene ihre Sturmgewehre. Tau lag schwer auf dem Gras und durchweichte meine Schuhe, als ich eine Abkürzung zum Haupteingang des hellbraunen Backsteingebäudes nahm, das Jefferson Building genannt wurde.
    Reisegepäck stand neben den Sofas und an den Wänden der Eingangshalle, denn die Polizisten der National Academy, kurz: N.A. waren offenbar ständig auf dem Sprung. Die Videoanzeige über der Rezeption wünschte allen einen schönen Tag und forderte jeden auf, seine Marke gut sichtbar zu tragen. Meine war noch in meiner Handtasche. Ich holte sie heraus, schlang mir die lange Kette um den Hals und steckte eine Magnetkarte in einen Schlitz neben einer Glastür mit dem Signet des Justizministeriums darauf. Die Tür öffnete sich, und ich ging durch einen langen, verglasten Korridor.
    Ich war so tief in Gedanken versunken, daß ich all die neuen Agenten in Dunkelblau und Khaki und die N.A. Studenten in Grün kaum wahrnahm. Sie nickten und lächelten mir im Vorbeigehen zu, und ich erwiderte ihre Grüße freundlich, aber ohne sie anzusehen. Ich dachte an den Rumpf, daran, wie alt und gebrechlich das Opfer gewesen war, an den elenden Leichensack in der Kühlkammer, in dem die Frau nun jahrelang liegen musste - zumindest so lange, bis wir ihren Namen wußten. Ich dachte an Keith Pleasants, an deadoc, an Sägen und scharfe Sägeblätter.
    Als ich durch den Waffenreinigungsraum kam, mit seinen Reihen schwarzer Arbeitstische und den Kompressoren, mit denen die Läufe der Gewehre durchgepustet wurden, stieg mir der Geruch der Reinigungslösung in die Nase. Bei diesen Gerüchen und Geräuschen musste ich immer an Wesley und an Mark denken. Übermächtige Gefühle preßten mir das Herz zusammen, als plötzlich eine nur allzu vertraute Stimme meinen Namen rief.
    »Sieht aus, als hätten wir den gleichen Weg«, sagte Investigator Ring.
    In makelloses Marineblau gekleidet, wartete er auf den Aufzug, der uns zwanzig Meter unter die Erde bringen sollte, dorthin, wo Hoover sich seinen Atombunker gebaut hatte.
    Ich nahm meinen schweren Aktenkoffer in die andere Hand und klemmte mir den Diakasten fester unter den Arm.
    »Guten Morgen«, sagte ich kühl.
    »Kommen Sie, ich nehme Ihnen etwas ab.«
    Während sich die Aufzugtüren öffneten, streckte er eine Hand aus, und ich bemerkte, daß seine Nägel poliert waren.
    »Es geht schon«, sagte ich. Ich brauchte seine Hilfe nicht. Wir stiegen ein und starrten auf der Fahrt hinab zu einem fensterlosen Geschoß direkt unter dem Schießstand beide ins Leere. Ring war bereits bei früheren Besprechungen dabei gewesen und hatte sich ausgiebig Notizen gemacht, von denen allerdings bisher noch nichts in den Nachrichten aufgetaucht war. Dazu war er zu schlau. Wenn Informationen aus einer FBI-Besprechung nach draußen sickerten, war es natürlich nur allzuleicht, die undichte Stelle zu finden. Da kamen nur wenige von uns in Frage.
    »Es gefällt mir gar nicht, was der Presse schon wieder an Informationen zugetragen worden ist«, sagte ich, als wir ausstiegen.
    »Ja, ich weiß, was Sie meinen«, sagte Ring mit unschuldigem Blick.
    Er hielt mir die Tür zu dem Labyrinth von Gängen auf, in denen sich ehemals die Abteilung für Verhaltensforschung befunden hatte, die dann zur Ermittlungshilfe geworden war und nun CASKU hieß. Die Namen wechselten, aber die Fälle blieben die gleichen. Die Männer und Frauen, die hier arbeiteten, kamen oft schon vor dem Morgengrauen und gingen erst, wenn es schon wieder dunkel war. Viele Tage, Jahre gar verbrachten sie damit, diese Ungeheuer bis ins kleinste Detail zu studieren, jeden Bißabdruck und jede Spur im Schlamm, die Art und Weise, wie sie denken, riechen und hassen.
    »Je mehr an die Öffentlichkeit dringt, desto schlimmer«, fuhr Ring fort, während wir uns der Tür zu einem Konferenzraum näherten, in dem ich jeden Monat mindestens

Weitere Kostenlose Bücher