Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
nicht >natürlichen Todes< in den Totenschein geschrieben. Die Welt sollte die Wahrheit erfahren. Vielleicht würde das den einen oder anderen davon abhalten, solche Mittel einzuwerfen.«
    Wir standen mittlerweile vor einem der Andenkenläden.
    Drinnen hatten sich Menschen um Fernseher versammelt und sahen sich Elvis-Videos an. »Kentucky Rain« drang aus den Lautsprechern auf die Straße. Elvis' Stimme klang so kraftvoll und spielerisch wie keine andere, die ich je gehört hatte. Ich begann weiterzugehen und rückte endlich mit der Wahrheit heraus.
    »Ich bin selbst Elvis-Fan. Und wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich habe ziemlich viele CDs von ihm«, sagte ich zu Marino.
    Er konnte es kaum fassen. Er war völlig begeistert.
    »Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das nicht überall herumerzählen würden.«
    »Jetzt kennen wir uns schon so viele Jahre, und Sie haben mir das nie gesagt?« rief er aus. »Sie nehmen mich doch nicht auf den Arm, oder? Das hätte ich nie gedacht. Nicht in einer Million Jahren. He, dann können Sie ja wohl nicht länger behaupten, ich hätte keinen Geschmack.«
    Er plapperte in einem fort, während wir auf einen Shuttlebus warteten, der uns zum Parkplatz zurückbringen sollte, und auch im Wagen hörte er nicht auf.
    »Ich weiß noch, wie ich ihn einmal im Fernsehen gesehen habe, als Kind, als wir noch in New Jersey wohnten«, sagte Marino. »Mein Alter kam wie üblich besoffen nach Haus und brüllte mich an, ich solle sofort umschalten. Das werd' ich nie vergessen.«
    Er bremste ab und bog zum Peabody Hotel ein.
    »Elvis sang >Hound Dog<. Es war im Juli 1956, an meinem Geburtstag. Ich weiß es noch wie heute. Mein Vater kommt fluchend rein und stellt den Fernseher aus. Ich stehe auf und stelle ihn wieder an. Er haut mir eine runter und stellt den Fernseher wieder aus. Ich stelle ihn wieder an und gehe auf ihn los. Das war das erste Mal in meinem Leben, daß ich meine Hand gegen ihn erhoben habe. Ich drücke ihn an die Wand, packe ihn beim Kragen und sage dem Mistkerl, wenn er mich oder meine Mutter noch einmal anrührt, bringe ich ihn um.«
    »Und, hat er?« fragte ich, als der Hotelpage meine Tür öffnete.
    »Oh, nein!«
    »Na, da hat Elvis sich ja um Ihre Familie verdient gemacht«, sagte ich.

Kapitel 7
    Zwei Tage später, am Donnerstag, dem 6. November, machte ich mich früh auf den Weg zur FBI Academy in Quantico, Virginia. Die Fahrt dauerte von Richmond normalerweise anderthalb Stunden. Marino und ich fuhren in getrennten Wagen, da jederzeit irgend etwas passieren konnte, weswegen einer von uns irgendwo hinmußte. Bei mir konnte es ein Flugzeugabsturz oder ein entgleister Zug sein, während er sich mit Lokalpolitikern und Polizeifunktionären herumschlagen mußte. Daher war ich auch nicht überrascht, als kurz vor Fredericksburg mein Autotelefon klingelte. Immer wieder verdeckten Wolken die Sonne, und es schien kalt genug für Schnee.
    »Scarpetta«, sagte ich in das Sprechgerät.
    Marinos Stimme erfüllte meinen Wagen. »Der Stadtrat ist am Durchdrehen«, sagte er. »Erst wird die Kleine von McKuen von einem Auto überfahren, und jetzt bringen sie in den Zeitungen, im Radio und im Fernsehen noch mehr Bockmist über unseren Fall.«
    In den letzten zwei Tagen waren den Medien weitere Informationen zugespielt worden. Angeblich gab es einen Verdächtigen für die Serienmorde, einschließlich der fünf Fälle in Dublin. Eine Verhaftung stünde unmittelbar bevor, hieß es.
    »Das ist doch nicht zu fassen, oder?« rief Marino. »Wie soll denn das gehen? Der Typ ist erst Mitte Zwanzig und soll auch noch die letzten paar Jahre in Dublin gewesen sein. Jedenfalls hat der Stadtrat auf einmal beschlossen, wegen der Geschichte so was wie ein Bürgerforum einzurichten. Die denken wohl, daß der Fall bald gelöst sein wird, und wollen natürlich die Lorbeeren dafür einheimsen und den Leuten vormachen, daß sie wenigstens dieses eine Mal nicht ganz untätig waren.« Er wählte seine Worte mit Bedacht, doch innerlich kochte er. »Und deshalb muss ich jetzt umkehren und zusehen, daß ich um zehn im Rathaus bin. Außerdem will der Chef mich sehen.«
    Ich behielt seine Rücklichter im Auge, während er die nächste Ausfahrt nahm. An diesem Morgen waren auf der I-95 viele Lkws und Pendler nach Washington unterwegs. Egal wie früh ich losfuhr - immer, wenn ich in Richtung Norden musste, war auf den Straßen die Hölle los.
    »Eigentlich ist es ganz gut, daß Sie zurückfahren. Dann können Sie

Weitere Kostenlose Bücher