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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Welt.«
    »Niemand soll die Tote anfassen, bis ich mir selbst ein Bild davon gemacht habe, um was es sich hier handelt«, sagte ich, während ich meinen Pyjama aufknöpfte.
    »Was soll ich tun?« fragte er.
    »Bitten Sie den Polizeichef, das Haus zu bewachen. Niemand darf da rein oder auch nur in die Nähe, bis ich es sage. Fahren Sie nach Hause. Ich rufe Sie dann später an.«
    Die Labors hatten die mikrobiologischen Untersuchungen an dem Rumpf noch nicht abgeschlossen, aber jetzt konnte ich nicht länger warten. Hastig kleidete ich mich an, wobei ich mich ständig verhedderte, als hätte ich schwere motorische Störungen. Ich raste auf verwaisten Straßen in die Stadt und stellte den Wagen um kurz vor fünf auf meinem Parkplatz hinter der Leichenhalle ab. Als ich die Tür zum Verladeraum aufschloß, lief mir der Nachtwächter in die Arme.
    »Herrje, Dr. Scarpetta«, sagte Evans, der das Gebäude schon so lange bewachte, wie ich hier arbeitete.
    »Entschuldigung«, sagte ich mit klopfendem Herzen. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    »Ich mache gerade meine Runde. Ist alles in Ordnung?«
    »Das will ich doch hoffen.« Ich ging an ihm vorbei.
    »Bekommen wir jemanden rein?«
    Er folgte mir die Laderampe hinauf. Ich öffnete die Tür nach drinnen und sah ihn an.
    »Nicht, daß ich wüßte«, erwiderte ich.
    Jetzt war er völlig durcheinander. Er verstand nicht, wieso ich um diese Uhrzeit hier war, obwohl wir gar keine Leiche erwarteten. Kopfschüttelnd steuerte er wieder auf die Tür zu, die hinaus auf den Parkplatz führte. Von da aus würde er nach nebenan in die Lobby der Consolidated Labs gehen, wo er dann vor einem kleinen, flackernden Fernseher saß, bis es Zeit war, erneut seine Runde zu machen. Evans weigerte sich, die Leichenhalle zu betreten. Es war ihm unbegreiflich, wie jemand anders empfinden konnte, und ich wusste, daß er Angst vor mir hatte.
    »Ich werde nicht lange hier unten bleiben«, sagte ich. »Danach finden Sie mich oben.«
    »Ja, Ma'am«, sagte er, immer noch kopfschüttelnd. »Sie wissen ja, wo ich bin.«
    Im Autopsietrakt lag auf halber Höhe des Korridors ein Raum, der nicht oft betreten wurde. Dort machte ich zuerst Halt und schloss die Tür auf. Drinnen standen drei Kühlschränke, wie man sie in keinem privaten Haushalt findet. Sie waren aus Edelstahl, riesengroß, und an den Türen befanden sich überdimensionale Digitalthermometer. Auf jedem klebte eine Liste mit Vorgangsnummern, die zu den unidentifizierten Menschen darin gehörten.
    Ich öffnete eine Tür. Dicker Nebel quoll heraus, und frostige Luft zwickte mir ins Gesicht. Die alte Frau lag in einem Leichensack auf einem Blech, und ich zog Kittel, Handschuhe und Gesichtsschutz an - jede Schutzschicht, die uns in der Gerichtsmedizin zur Verfügung stand. Mir war klar, daß es für solche Vorsichtsmaßnahmen möglicherweise bereits zu spät war, und der Gedanke daran, wie sehr Wingo aufgrund seines Gesundheitszustands gefährdet war, machte mir angst. Ich holte den schwarzen Vinylsack aus dem Kühlschrank und hob ihn auf einen Edelstahltisch in der Mitte des Raums. Dann öffnete ich den Reißverschluß, so daß der Rumpf der Raumluft ausgesetzt war, ging hinaus und schloss den Autopsiesaal auf.
    Nachdem ich ein Skalpell und saubere Objektträger geholt und mir die OP-Maske über Nase und Mund gezogen hatte, kehrte ich in den Kühlraum zurück und schloss die Tür. Die äußere Hautschicht des langsam auftauenden Rumpfes begann feucht zu werden. Ich beschleunigte den Prozeß mit warmen, nassen Handtüchern, um dann die haufenförmig auf ihrer Hüfte und an den zerfetzten Amputationsrändern sitzenden Pusteln zu öffnen.
    Mit dem Skalpell kratzte ich die Bläschen bis auf den Boden aus und strich den Inhalt auf die Objektträger. Ich schloss den Sack wieder und versah ihn mit leuchtend orangefarbenen Infektionsgefahr-Warnschildern. Nur mit äußerster Anstrengung und zitternden Armen gelang es mir, den Leichnam wieder in sein Kühlfach zu heben. Außer Evans war niemand da, den ich zur Hilfe rufen konnte, also war ich auf mich gestellt. Anschließend klebte ich weitere Warnschilder an die Tür.
    Ich ging in den zweiten Stock hinauf und schloss einen kleinen Raum auf, der an sich wie ein gewöhnliches Labor aussah, wären da nicht allerlei Instrumente gewesen, die nur in der Histologie, das heißt für mikroskopische Gewebeuntersuchungen, benutzt wurden. Auf einem Tisch stand eine Apparatur zur Gewebefixation, mit der man Proben von

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