Der Keim des Verderbens
ich auch. Hab' mir den Schnapsladen angeschaut, in dem die beiden Leute erstochen wurden, und ein bißchen die Umgebung erkundet. Jetzt bin ich hier.«
»Und?«
»Und?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Die Mafia.«
»Ich hatte nicht an Georgia gedacht.«
»Dann sag mir, was du denkst. Offenbar bin ich dabei, die Kunst des Gedankenlesens zu verlernen. Und du siehst heute besonders bezaubernd aus, möchte ich hinzufügen«, sagte er zu meiner Maske.
»Ich werde verrückt, wenn ich hier nicht bald rauskomme«, sagte ich. »Ich muß mich mit den CDC in Verbindung setzen.«
»Lucy hat mir erzählt, daß du mit deadoc kommuniziert hast.«
Das schelmische Leuchten verschwand aus seinen Augen.
»Nicht besonders lange, und es ist auch nicht viel dabei herausgekommen«, sagte ich wütend.
Es brachte mich zur Weißglut, daß ich mit diesem Killer kommunizieren mußte, denn das war genau das, was er wollte. Eigentlich hatte ich es mir zum Prinzip gemacht, Menschen wie ihm nie auch nur einen Deut nachzugeben.
»Gib nicht auf«, sagte Wesley.
»Er äußert sich über medizinische Themen, zum Beispiel Krankheiten und Erreger«, sagte ich. »Findest du das in Anbetracht dessen, was wir im Moment erleben, nicht beunruhigend?«
»Zweifelsohne verfolgt er die Berichterstattung.« Er führte die gleichen Argumente an wie Janet.
»Aber was, wenn es mehr ist als das?« fragte ich. »Die Frau, die er zerstückelt hat, hat offenbar die gleiche Krankheit wie die Frau von Tangier.«
»Das kannst du noch nicht beweisen.«
»Weißt du, ich habe nicht Karriere gemacht, indem ich wilde Vermutungen angestellt und vorschnelle Schlüsse gezogen habe.« Ich war außer mir. »Ich werde den Beweis erbringen, sobald ich kann, aber ich finde, bis dahin sollten wir uns vom gesunden Menschenverstand leiten lassen.«
»Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, worauf du hinauswillst.«
Er sah mir die ganze Zeit in die Augen.
»Ich meine, daß wir es vielleicht mit biologischen Kampfstoffen zu tun haben. Mit einem Unabomber, der eine Krankheit als Waffe benutzt.«
»Um Himmels willen! Das will ich doch nicht hoffen.«
»Aber der Gedanke ist dir doch auch schon gekommen. Erzähl mir nicht, du hältst es für Zufall, daß ein Zerstückelungsfall mit einer tödlichen Krankheit einhergeht.«
Ich schaute ihm prüfend ins Gesicht. Er hatte Kopfschmerzen. Das sah ich an einer Ader, die dann immer auf seiner Stirn hervortrat wie eine bläuliche Schnur.
»Und dir geht es auch ganz bestimmt gut?« fragte er.
»Ja. Um dich mache ich mir mehr Sorgen.«
»Was ist mit dieser Krankheit? Inwieweit bist du gefährdet?«
Er wurde langsam ungeduldig mit mir, wie immer, wenn er glaubte, ich sei in Gefahr.
»Ich habe eine Auffrischungsimpfung bekommen.«
»Ja, gegen Pocken«, sagte er. »Was ist, wenn es etwas anderes ist als Pocken?«
»Dann haben wir ein Riesenproblem. Janet war hier.«
»Ich weiß«, sagte er in seinen Hörer. »Tut mir leid. Das war nun wirklich kein guter Zeitpunkt ...«
»Nein, Benton«, unterbrach ich ihn, »jemand mußte es mir sagen. Für derartige Neuigkeiten ist nie der richtige Zeitpunkt. Wie geht es denn deiner Meinung nach jetzt weiter?«
Damit wollte er jedoch nicht herausrücken.
»Dann glaubst du auch, daß diese Geschichte ihr das Genick brechen wird«, sagte ich verzweifelt.
»Daß sie sie rausschmeißen, kann ich mir nicht vorstellen.
Normalerweise wird man in so einem Fall einfach nicht mehr befördert und an eine Außenstelle irgendwo am Ende der Welt strafversetzt. Das würde zur Folge haben, daß sie und Janet dreitausend Meilen voneinander getrennt sind. Eine von ihnen wird kündigen, oder auch gleich alle beide.«
»Und was soll daran besser sein, als gefeuert zu werden?« sagte ich voll Schmerz und Wut.
»Laß uns erst mal abwarten, Kay.« Er sah mich an. »Ich entlasse Ring aus der CASKU.«
»Tu es nicht für mich.«
»Schon geschehen«, sagte er.
Fujitsubo kam erst am nächsten Morgen zu mir. Er lächelte und öffnete die Jalousien, um das Sonnenlicht hereinzulassen. Es war so hell, daß es mir in den Augen wehtat.
»Guten Morgen. So weit, so gut«, sagte er. »Ich bin sehr froh, daß Sie uns offenbar doch nicht krank werden, Kay.«
»Dann kann ich ja gehen«, sagte ich, bereit, auf der Stelle aus dem Bett zu springen.
»Langsam.« Er schaute sich mein Krankenblatt an. »Ich weiß, wie schwer das für Sie ist, aber ich fühle mich nicht wohl dabei, Sie so schnell wieder gehen zu lassen. Halten Sie
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