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Der Keim des Verderbens

Der Keim des Verderbens

Titel: Der Keim des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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an.
    Ich hielt ein Schläfchen und wachte kurz nach vier wieder auf. Einen Moment lang konnte ich mich nicht besinnen, wo ich war. Ich lag ganz still, und dann fiel es mir mit niederschmetternder Lebhaftigkeit wieder ein. Ich setzte mich auf. Das Tablett mit dem geöffneten Computer lag immer noch auf mir, und ich war dementsprechend verspannt. Ich loggte mich erneut bei AOL ein und begab mich wieder in den Chat-Raum. Dieses Mal gesellte sich jemand zu mir, der sich MEDEX nannte, und wir redeten über das Datenbankprogramm, das ich auf meiner Dienststelle zur Erfassung von Falldaten und zum Abrufen von Statistiken benutzte.
    Genau um fünf Minuten nach fünf ertönte in meinem Computer ein leicht verstimmter Hinweiston, und plötzlich nahm das Telegramm-Fenster fast den gesamten Bildschirm ein.
    Während ich fassungslos darauf starrte, erschien eine Mitteilung von deadoc, die, wie ich wußte, niemand sonst im Chat-Raum sehen konnte.
    DEADOC: sie halten sich wohl für sehr schlau
    SCARPETTA: Wer sind Sie?
    DEADOC: sie wissen wer ich bin ich bin was sie tun
    SCARPETTA: Was tue ich denn?
    DEADOC: tod doktor tod sie sind ich
    SCARPETTA: Ich bin nicht Sie.
    DEADOC: sie halten sich wohl für sehr schlau
    Er verstummte abrupt, und als ich auf den »Wer ist online«-Knopf klickte, stellte ich fest, daß er sich ausgeloggt hatte. Mit rasendem Herzklopfen schickte ich eine weitere Nachricht an MEDEX, in der ich ihm mitteilte, ich sei von einem Gast aufgehalten worden. Ich bekam keine Antwort, denn ich befand mich wieder allein im Chat-Raum.
    »Verdammt«, stieß ich halblaut aus.
    Erst um zehn Uhr abends versuchte ich es erneut, aber es kam niemand, außer noch einmal Quincy, um mir zu sagen, daß wir am nächsten Morgen noch einmal versuchen sollten, uns zu treffen. All die anderen Ärzte, schrieb er, seien bereits nach Haus gegangen. Die Schwester, die ich schon vom Mittagessen kannte, sah noch einmal nach mir. Sie war ausgesprochen nett. Sie tat mir leid, weil sie so lange Dienst hatte und sich jedesmal, bevor sie in mein Zimmer kam, in den blauen Schutzanzug quälen mußte.
    »Wo bleibt die neue Schicht?« fragte ich, während sie meine Temperatur maß.
    »Die neue Schicht bin ich. Wir tun halt, was wir können.«
    Sie verwies einmal mehr auf die Haushaltssperre, und ich nickte.
    »Es sind kaum noch Laboranten hier«, fuhr sie fort. »Kann sein, daß Sie morgen aufwachen und die einzige im ganzen Gebäude sind.«
    »Jetzt krieg' ich bestimmt Alpträume«, sagte ich, während sie mir die Blutdruckmanschette um den Arm wickelte.
    »Nun ja, immerhin fühlen Sie sich doch ganz gut, und das ist schließlich das Wichtigste. Seit ich hier arbeite, bilde ich mir ständig ein, daß ich mir irgend etwas weggeholt habe. Das kleinste Wehwehchen oder der kleinste Schnupfen, und schon denke ich: O Gott. Was für eine Ärztin sind Sie denn?«
    Ich sagte es ihr.
    »Ich wollte Kinderärztin werden. Dann habe ich geheiratet.«
    »Wenn es keine solchen guten Krankenschwestern wie Sie gäbe, wären wir aufgeschmissen«, sagte ich lächelnd.
    »Das scheint den meisten Ärzten aber nicht klar zu sein. Die behandeln uns ganz schön von oben herab.«
    »Manche ganz sicher«, stimmte ich ihr zu.
    Ich versuchte zu schlafen, doch ich wälzte mich die ganze Nacht von einer Seite auf die andere. Das Licht der Parkplatzbeleuchtung vor meinem Fenster drang durch die Jalousien, und welche Stellung ich auch einnahm, es gelang mir nicht, mich zu entspannen. Ich bekam nicht richtig Luft, und mein Herzschlag wollte sich einfach nicht normalisieren. Um fünf Uhr morgens setzte ich mich schließlich auf und knipste das Licht an. Binnen weniger Minuten stand die Schwester wieder in meinem Zimmer.
    »Alles in Ordnung?« Sie sah erschöpft aus. »Ich kann nicht schlafen.« »Soll ich Ihnen etwas geben?«
    Ich schüttelte den Kopf und schaltete den Computer an. Ich loggte mich bei AOL ein und begab mich wieder in den Chat-Raum. Er war leer. Ich klickte auf den »Wer ist online«-Knopf, um nachzusehen, ob deadoc anwesend war und falls ja, wo er sich aufhielt. Nichts deutete darauf hin, daß er online war, und ich begann, die Liste der verschiedenen Chat-Räume durchzusehen, die den Abonnenten und ihren Angehörigen zur Verfügung standen.
    Es gab wirklich für jeden etwas: Räume für Flirts, Singles, Schwule, Lesben, Indianer, Schwarze - und für Schmutz.
    Menschen mit einer Vorliebe für Sadomasochismus, Gruppensex, Bondage, Sodomie oder Inzest durften hier

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