Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
jetzt, nach all den Jahren, in denen ich mich immer wieder gefragt habe, ob Ihr überhaupt noch am Leben seid? Warum erscheint Ihr mir jetzt – in dieser Form?«
»Da ich deinen Schmerz nicht länger ertragen konnte.« Sie entzog ihre schlanke Hand seinem Griff und berührte die Narbe auf seiner Wange. »Deine Wunden sind auch meine Wunden, Braedon, allerdings trage ich sie in meinem Herzen.«
»Aber Ihr habt mich verlassen. Dafür habe ich Euch gehasst.«
»Das weiß ich, aber es schien mir der einzige Weg zu sein. Ich war der Überzeugung, dass du dich ohne mich schneller an die Welt der Menschen anpassen würdest. Ich … hoffte es jedenfalls.« Als sie sich an die Jahre erinnerte, die so lange zurücklagen, schüttelte sie den Kopf. Tief empfundene Gefühle spiegelten sich in ihren Augen, doch schon im nächsten Moment war ihr Blick wieder klar. »Das hier ist der einzige Ort, an dem du sicher bist … vor ihnen und vor jenen unserer Familie, die uns verfolgen, während sie nach dem Drachenkelch suchen.«
»Was wisst Ihr von dem Kelch?«
»Er stellt den wertvollsten Schatz dar, den unser Volk je kannte. Er ist das Herzstück Anavrins, unseres Königreichs.« Sie sah den Zweifel in Braedons Blick und fuhr fort. »Der Kelch wurde vor langer, langer Zeit von dem höchsten Magier Anavrins geschaffen und dem herrschenden König als Geschenk des Friedens und als Versprechen des Schutzes überreicht. Er galt als Symbol des Gleichgewichts und des Vertrauens zwischen den beiden Klassen des Reichs – den Magiern und den Unsterblichen. Wenn der Kelch nicht zurückgebracht wird, werden Anavrin und all seine Bewohner untergehen.«
»Aber wenn die Legenden wahr sind, zerfiel der Drachenkelch in vier Teile«, hob Ariana hervor. »Und einer dieser Teile befindet sich bereits im Besitz von Silas de Mortaine.«
»Avosaar«, sagte Braedons Mutter und nickte langsam. »Der Kelch mit dem Stein des Wohlstands. Die drei anderen, Calasaar, Vorimasaar und Serasaar – die Steine des Lichts, des Glaubens und des Friedens – , befinden sich noch immer irgendwo dort draußen. Ein Zauber schützt sie, aber selbst Anavrins Magie ist in dieser Welt eher schwach.«
»De Mortaine wird vor nichts zurückschrecken, um den Schatz zu bekommen«, meinte Braedon. »Er hat dafür bereits getötet, und er befehligt eine Schar Gestaltwandler. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, den Kelch in seine Gewalt zu bringen.«
»Das stimmt. Und jetzt, da einer der Steine gefunden wurde, werden die anderen nicht mehr lange verborgen bleiben.«
»Aber wie können wir de Mortaine jetzt noch aufhalten?«, fragte Ariana. »Was wollt Ihr unternehmen, um zu verhindern, dass er den Kelch in seinen Besitz bringt?«
»Ich fürchte, es kann nicht mehr viel getan werden, um den Lauf der Dinge zu ändern. Zumindest liegt es nicht in unserer Macht. Ein Clan der Anavrin-Familie glaubte, einschreiten zu können, indem eine der ihren versuchte Avosaar zu stehlen, doch sie zahlte einen hohen Preis dafür. Lara war sich der Gefahren bewusst, schenkte ihnen aber keine Beachtung.«
»Lara?« Braedon runzelte die Stirn. »Wollt Ihr damit sagen, dass das Mädchen – die seltsame junge Diebin, die in de Mortaines Burgfried eindrang und den Kelch Avosaar stahl – , dass sie eine von Euch war? Eine Gestaltwandlerin?«
»Ja, das war Lara. Aber nicht wie diejenigen dort draußen. Lara lebte wie wir hier im Verborgenen. Sie war keine Suchende und lebte abseits der anderen nur als Schatten.«
»Suchende und Schatten?«, fragte Braedon ungeduldig. »Ihr sprecht in Rätseln, Madame. Erklärt mir, was das zu bedeuten hat.«
Sie sah ihn unverwandt an. »Zwanzig von uns wurden aus Anavrin abberufen, um uns unter die Sterblichen zu mischen. Es war unser Auftrag, den Drachenkelch zu finden und dafür Sorge zu tragen, ihn wieder an seinen rechten Platz zu bringen. Aber die Prophezeiung, die mit dem Kelch einhergeht, besagt, der Kelch müsse von einem Sterblichen zurückgebracht werden, da es auch die Hände eines Sterblichen waren, die ihn einst entwendeten.«
»Warum unterstützt Ihr uns dann nicht, de Mortaines Pläne zu vereiteln?«, mischte sich Ariana erneut ein. Hoffnung leuchtete in ihren Augen auf. »Wenn wir die drei anderen Steine finden, könntet Ihr uns helfen, den Kelch zurückzugewinnen, der in de Mortaines Besitz ist. Dann würde der Drachenkelch wieder Eurem Volk gehören.«
»Leider ist es nicht so einfach, meine Liebe. Wir können zwar den Willen und die Taten der
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