Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
Handgelenks.
Die brennende Schnittwunde entlockte Braedon ein Brüllen, das nicht allein vom Schmerz herrührte. Als er die scharfe Klinge in seinem Fleisch spürte und sah, wie sein Blut den hellgrauen Stoff seines Ärmels besudelte, erwachte Braedon wie aus einem langen, tiefen Schlaf.
Geschickt wirbelte er herum und hob sein Schwert, während er aus tiefster Kehle einen Fluch ausstieß. Die Klinge sauste hinab, hart, unerbittlich und schnell. Sein Gegner holte zu einem weiteren Schlag aus, war aber zu langsam. Kraftvoll fuhr Braedons Waffe in dessen Fleisch und Knochen und hieb dem Mann mit einem sauberen Schnitt die Hand ab, die hochgewirbelt wurde und in den dunklen Fluten des Flusses versank. Während der Seemann sprachlos und von Entsetzen gelähmt auf seinen Armstumpf starrte, schwang Braedon seine Waffe erneut und schlug den sterbenden Mann von dem Landungssteg.
»Ihr seid der Nächste, Ferrand«, höhnte er mit tödlicher Gelassenheit, als der Franzose und dessen letzter Mann näher kamen. »Ich möchte wetten, dass Euer Tod längst überfällig ist.«
»Ich bin mir sicher, dass wir das aushandeln können, Ihr und ich«, erwiderte Ferrand und hob nachlässig die Schultern. »Mir steht der Sinn nicht nach Gewalt. Wenn Ihr die Frau haben wollt, bitte, so nehmt sie Euch.«
Ferrand verzog den Mund zu einem breiten Grinsen, aber selbst in dem trüben Licht des grau verhangenen Tages konnte Braedon einen Anflug von Furcht in den Augen des Franzosen erkennen. Ihm entging auch nicht, wie Ferrand seinem Helfershelfer mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung des Kopfes bedeutete, sich Braedon von der anderen Seite her zu nähern. Soll er nur kommen, dachte Braedon und gab vor, die Falle nicht bemerkt zu haben. Langsam wich er zurück, wodurch ihm beide Männer unwillkürlich weiter zum Fluss folgten.
Auch die Frau hatte die Gefahr erkannt. »Gebt acht«, wisperte sie hinter ihm eine Warnung und wich weiter auf dem Landungssteg zurück – brachte sich in Sicherheit, sollte er überleben, oder steckte in einer Sackgasse fest, falls er unterlag.
Mit einem Brüllen schnellte Ferrands Handlanger unvermutet nach vorn, um den Kampf zu eröffnen. Von rechts stieß er vor, dich gefolgt von Ferrand, und zwang Braedon, weiter zurückzuweichen. Klirrend und in rascher Folge trafen die Schwerter aufeinander. Braedon stemmte sich gegen den machtvollen Angriff seines Gegners. Es gelang ihm sogar, ihn zurückzudrängen, doch der Mann war stämmig wie ein Ochse. Immer wieder stürmte er auf Braedon zu, obwohl er die Klinge stümperhaft führte, so als halte er ein Hackmesser in der Hand.
»Töte ihn, du Narr!«, rief Ferrand aus sicherer Entfernung. Braedon sah, dass der Kaufmann sich langsam vom Kampfgeschehen zurückzog. Offenbar hatte er beschlossen, die Flucht zu ergreifen, solange ihm sich die Möglichkeit noch bot.
Doch Braedon hatte nicht vor, seinen Widersacher entkommen zu lassen. Er spürte, wie sein Stiefelabsatz sich in etwas verfing – ein Verladenetz, das jemand achtlos auf dem Pier liegen gelassen hatte. Unmittelbar daneben standen große Eichenfässer. Mit der linken Hand umfasste er den oberen Rand eines Fasses, riss es um und schleuderte es seinem Gegner geradewegs auf die Füße. Der Schurke verlor das Gleichgewicht und ließ die Waffe fallen, die Braedon sofort mit einem Fuß außer Reichweite stieß. Mit einem Fluch auf den Lippen strauchelte der Mann am Rand des Piers und stürzte in den Fluss. Im ersten Augenblick erwog Braedon, dem Kerl nachzuspringen, um ihm den Todesstoß zu versetzen, doch eilige Schritte, die weiter oben auf dem Kai hallten, erregten seine Aufmerksamkeit.
Ferrand rannte bereits über die Docks auf sein Schiff zu.
Braedons Stiefel dröhnten dumpf auf den nassen Bohlen, als er losstürmte, um den beleibten Kaufmann zu verfolgen. Der unbändige Wunsch nach Rache pulsierte durch seine Adern, als er den Mann einholte. Schon streckte er den Arm nach ihm aus, griff ins Leere, fluchte erneut und verdoppelte seine Anstrengungen. Mit einem wilden Aufschrei sprang er schließlich auf Ferrand und riss ihn zu Boden. Der Kaufmann versuchte kriechend zu entkommen, suchte Halt auf den Planken des Kais und wand sich unter dem Gewicht seines Angreifers.
Braedon packte den Franzosen an der Schulter, drehte ihn mit einem heftigen Ruck auf den Rücken und versetzte ihm einen Faustschlag ins Gesicht. Dann wich er zurück und griff nach seinem Schwert, das er bei dem Hechtsprung verloren
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