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Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin

Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin

Titel: Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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war. Die gesellschaftlichen Zwänge jener Tage vermisste er jedoch ebenso wenig wie die arrogante Art, die er als junger Mann an den Tag gelegt hatte. Sorglos war er gewesen, gänzlich vereinnahmt von seinem maßlosen Lebenswandel und wie geblendet von seinem eigenen Ruhm. Jetzt brauchte er nur einen kurzen Blick auf sein Spiegelbild zu werfen, sei es in einem Teich oder in den vor Angst geweiteten Augen einer jungen Dame edler Herkunft, um sich bewusst zu machen, was dieses Leben ihm abverlangt hatte.
    Braedon verdrängte die Gedanken an vergangene Zeiten, ehe noch weitere Einzelheiten aus den Tiefen seiner Erinnerung heraufsteigen konnten. Mittlerweile hatten er und die junge Frau den überdachten Bereich des Brückentors hinter sich gelassen und waren erneut dem Unwetter ausgesetzt. Der Eisregen brannte auf seiner Haut, aber er machte keine Anstalten, sich die Kapuze tiefer ins Gesicht zu ziehen. Es kümmerte ihn auch nicht, dass seine Narbe zu sehen war.
    Soll sie ruhig hinsehen, dachte er grimmig und zwang sich, die verstohlenen Blicke seiner Begleiterin zu ignorieren, während sie schweigend nebeneinanderher gingen. Sollte sie ruhig gaffen, wie all die anderen auch, und bei seinem Anblick zurückschrecken.
    Lange genug hatte er nun schon mit dem Zerrbild seines Gesichts gelebt, sodass er wusste, wie lange es im Durchschnitt dauerte, bis jemand seine entstellte Wange bemerkte und sich abwendete. Laute des Erstaunens oder verunsicherte Blicke machten ihm nichts mehr aus, aber zu seiner Verärgerung musste er sich eingestehen, dass er den stillen, forschenden Blick dieser jungen Frau nicht ertragen konnte. In ihm spürte er einen Anflug von Mitleid, das ihn mehr als jedes Anzeichen von Furcht oder Abscheu bekümmerte. Er blieb stehen und wandte sich der Frau abrupt zu.
    »Was tut Ihr?«, fragte sie und schaute ihn mit gerunzelter Stirn an. »Sollten wir nicht weitergehen?«
    »Ich dachte, es wäre vielleicht einfacher für Euch, mich anzugaffen, wenn ich eine Weile still halte.«
    »Oh.« Die Röte auf ihren vom Wind umspielten Wangen vertiefte sich, als sie den Blick von ihm wendete. »Es tut mir leid.«
    »Was tut Euch leid? Der Zustand meines Gesichts oder die unverschämte Art und Weise, mit der Ihr mich gemustert habt?«
    Ruckartig hob sie den Kopf. »Beides.«
    Er zog eine Braue hoch.
    »Weder das eine noch das andere«, verbesserte sie sich und seufzte leise. Wieder senkte sie den Blick, und die goldbraunen Wimpern, die dunkler waren als ihr Haar, verdeckten ihre Augen. Eine Locke ihres honigblonden, seidigen Haars ringelte sich unter der Kapuze ihres Schultermantels hervor und hob sich goldgelb glänzend von dem Rotbraun ihres pelzbesetzten Kragens ab. Die Frau nagte an ihrer Unterlippe, unschlüssig, wohin sie nun schauen sollte. »Vergebt mir, dass ich Euch angestarrt habe. Ich wollte Euch nicht beleidigen. Bitte verzeiht.«
    Braedon murrte unwirsch. Er hatte keine Entschuldigung erwartet, sondern lediglich etwas klarstellen wollen. Doch jetzt, da er seinem Unmut Luft gemacht hatte, fühlte er sich in seiner Haut plötzlich nicht mehr wohl. Er fragte sich, wie alt die junge Frau wohl sein mochte. Wenn er mit seiner Schätzung richtig lag, war sie noch keine zwanzig. Mindestens zehn Jahre jünger als ich, vermutete er. Viel zu jung und bei Weitem zu hübsch, um sich ohne eine Anzahl bewaffneter Beschützer in einer Stadt wie London herumzutreiben.
    »Hier entlang«, sagte er und ging weiter. Sie folgte ihm und vermied es tunlichst, noch einmal in seine Richtung zu schauen.
    Obgleich er eigentlich die Absicht hatte, sie so bald wie möglich loszuwerden und danach ein für alle Mal aus seinen Gedanken zu verbannen, konnte er seine Neugierde immer schwerer zügeln. Und da er sich ihretwegen eine blutende Wunde zugezogen hatte, glaubte er, nachforschen zu dürfen, für was für eine kleine Närrin er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte.
    »Ich glaube kaum, dass der Schmuck oder die Seide, die Ihr Ferrand abkaufen wolltet, diesen Preis wert war, Madame.«
    »Ich bin nicht hergekommen, um ihm etwas abzukaufen.«
    »Ach, nein?«
    »Nein. Ich kam in einer anderen Angelegenheit nach London.« Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Geldbörse, die an seinem Schwertgehenk hing und ihm bei jedem seiner Schritte gegen die Hüfte schlug. »Mit dem Geld, das Ihr nun bei Euch tragt, wollte ich die Überfahrt nach Frankreich bezahlen.«
    »Frankreich?«, höhnte er. »Was kann Euch dort erwarten, dass Ihr im tiefsten Winter

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