Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
diesmal wurde ihr vor Aufregung ganz schwindelig. Sie konnte ein begeistertes Auflachen nicht unterdrücken und fragte sich, ob die Vögel sich wohl genauso fühlen mochten, wenn sie hoch oben am Himmel über dem Land ihre Bahnen zogen.
Sie wollte die Augen schließen und das Gefühl von Freiheit und Macht auskosten, wagte es aber nicht, auch nur für einen Moment jenen Stern aus den Augen zu lassen, der sie führte. Schnell wurde ihr bewusst, dass sie nicht über Braedons Kraft verfügte. Er hatte die Kogge locker mit einer Hand gesteuert, sie hingegen musste die Ruderpinne mit beiden Händen umfassen und ihre ganze Konzentration auf die Beibehaltung des Kurses richten.
Braedon rückte auf der Bank ein wenig näher zu ihr. Sie spürte, wie das Gewicht am Ruderblatt leichter wurde, als er seine Hand neben ihre auf die Pinne legte. Er sagte nichts, und auch sie schwieg, ergriffen von der Schönheit der Nacht, die an ihnen vorüberzog, und vereinnahmt von der Gegenwart dieses Mannes.
Als das Schiff plötzlich von einer heftigen Welle erfasst wurde, verlor Ariana den Halt und prallte gegen Braedons harte Brust. Hitze stieg ihr trotz der kühlen Brise in die Wangen. Um Luft ringend versuchte sie hastig, den Platz an der Ruderpinne wieder einzunehmen, doch Braedon umfasste ihre Taille.
Für einen langen Moment verharrte er so. Ariana wagte in der Stille kaum zu atmen. Genauso wenig, wie sie ihre Gedanken ordnen konnte, gelang es ihr, sich aus ihrer Starre zu lösen, in die sie verfallen war. Der kalte Windhauch fuhr ihr in das Haar und entblößte ihren Nacken, als sie seine Berührung spürte. Sanft und zärtlich strich er mit den Fingern durch ihr volles Haar, liebkoste die zarte Haut unterhalb ihres Ohrs und fuhr weiter ihre Schulter hinab.
Obwohl es falsch und gefährlich war, seine Berührungen zuzulassen, war Ariana nicht in der Lage, sich zu bewegen oder sich gar zu wehren. Noch nie war sie einem Mann so nah gewesen, und auch jetzt ziemte es sich nicht, wie ihr eine mahnende innere Stimme zu verstehen gab. Dieser düstere Mann war eine einsame Seele mit einem gefährlichen Blick und den todbringenden Händen eines Kriegers. Doch genau diese großen, kraftvollen Hände liebkosten sie nun mit ungeahnter Zärtlichkeit.
Langsam wandte sie sich zu ihm um. Er beugte sich zu ihr vor. Seine Nasenflügel bebten, als er einen tiefen Atemzug nahm. In Arianas Kopf begann sich alles zu drehen, während sie sich ausmalte, was er womöglich mit ihr im Sinn hatte – hier auf offener See, wo sie niemand hören würde, mochte sie auch noch so laut schreien. Doch nicht einmal dazu hatte sie im Augenblick die Kraft. Alle Luft schien aus ihren Lungen gewichen zu sein. Wie sollte sie ihn da von sich stoßen und sich seinen Armen entziehen?
Sie öffnete die Lippen, um zu protestieren, aber kein Laut entwich ihr. Er ließ ihr ohnehin keine Entscheidungsfreiheit. Wieder strich er ihr mit warmen Fingern über die Wange, fuhr ihr über den Nacken und schließlich über den Rücken. Seine Augen glitzerten im schwachen Sternenlicht, als er sie an sich zog und seinen Mund auf ihren senkte.
Die erste zarte Berührung seiner Lippen sandte einen Schauer der Empfindungen durch sie hindurch. Sein warmer sinnlicher Kuss ließ ein plötzliches Verlangen in ihrem Innern auflodern. Sie erschrak ob des bislang fremden Gefühls. Wie heiß und fordernd sich sein Mund anfühlte! Wie unvorsichtig von ihr, ihn auch nur einen Moment länger gewähren zu lassen. Sie spürte, wie sie dahinschmolz, als er sie auch mit der anderen Hand am Rücken berührte und enger an sich presste. Schließlich, als seine drängende Zunge ihr über die Lippen strich, öffnete sie ihren Mund.
Obwohl Ariana kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, schien ihr Körper genau zu wissen, was er zu tun hatte. Mit beiden Händen berührte sie seinen Oberkörper. Eigentlich wollte sie ihn von sich schieben, aber der Versuch, wenigstens etwas ihrer Ehre zu retten, war allzu schwach. Ihre Finger schienen einen eigenen Willen zu haben, als sie auf der dicken Wolle seines Mantels verharrten. Ein leiser Seufzer entfuhr ihr, wurde jedoch von einem Donnergrollen in der Ferne verschluckt. Ein grell zuckender Blitz, gefolgt von einem weiteren Donnerschlag, durchriss die Finsternis. Wie es schien, sollten die Naturgewalten ihre Rettung sein.
Mit einem tiefen, kehligen Laut ließ Braedon von ihr ab. Unwillkürlich fuhr sie sich mit der Hand an die feuchten, brennenden Lippen. Unzählige
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