Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
bemühte sich, das Pferd zu beruhigen, doch es warf immer wieder den Kopf in die Luft und war kaum auf dem schmalen Weg zu halten.
»Ist ja gut«, murmelte Braedon beschwichtigend, während er die wilde Bestie auf dem Fels keinen Moment aus den Augen ließ. »Wölfe fallen keine Menschen an, solange man sie nicht reizt. Sie ergreifen eher die Flucht, als dass sie kämpfen.«
»Dieser hier sieht aber nicht so aus, als würde er vor uns weglaufen wollen.«
»Das ist leider wahr«, erwiderte Braedon. So wie es aussah, hatte das Untier nicht die Absicht zurückzuweichen. Als wolle er den Verdacht bestätigen, sprang der Wolf von dem Fels und schlich – auf Beute aus und den Kopf bedrohlich gesenkt – über den natürlichen Wall, der sich wie eine Festungsmauer an dem Pfad entlangzog. »Wendet Euer Pferd, Ariana, ganz langsam.«
»Ich soll umkehren? Aber – warum?«
Der Wolf kam näher. Die großen Pfoten mit den schwarzen Krallen versanken im Boden und lösten hier und da Erde aus dem vorstehenden Wall. Braedon hielt die Zügel seines unruhigen Pferds mit eisernem Griff und presste die Schenkel hart in dessen Flanken. »Ich möchte, dass Ihr Euch langsam mit Eurem Pferd zurückzieht und den gleichen Weg nehmt, den wir gekommen sind. Ich werde den Wolf aufhalten, während Ihr losreitet. Worauf wartet Ihr noch, Mylady?«
»Ihr wollt, dass ich Euch zurücklasse ?«, flüsterte sie. »Nein, Braedon … «
»Reitet los, Ariana. Jetzt!«
Sie gab einen Laut der Entrüstung von sich, und einen Moment lang fragte sich Braedon, ob sie sich ihm auch diesmal widersetzen würde. Doch dann befolgte sie seine Anweisung und wendete ihr verängstigtes Pferd. Mit einer bewundernswerten Gefasstheit brachte sie das Tier dazu, langsam die rückwärtige Richtung einzuschlagen.
Als die Bestie die Zähne fletschte, glaubte Braedon, auf die kurze Entfernung, die ihn noch von dem Vieh trennte, ein boshaftes Grinsen in dessen Zügen wahrzunehmen. Knurrend und mit geblähten Nasenflügeln stieß das Tier seinen Atem in einer weißen Wolke aus.
»Wie es scheint, sind nur noch wir beide übrig«, forderte Braedon das bedrohliche Tier heraus.
Es sollte keine weitere Vorwarnung mehr geben.
Mit einem wilden Brüllen sprang der Wolf von dem Erdwall und stürzte sich auf Braedon – ein hochschnellender Körper mit schwarzem Fell und scharfen Pranken.
Ariana war noch nicht weit gekommen, als sie das Brüllen des Raubtiers hinter sich im Wald vernahm. Mit bangem Herzen fuhr sie im Sattel herum und konnte gerade noch sehen, wie die schwarze Bestie sich auf Braedon stürzte. Sie stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Starr vor Schreck musste sie mitansehen, wie Braedon und das wilde Tier ineinander verschlungen in einem unerbittlichen Kampf zu Boden gingen. Einen Moment lang war Ariana unschlüssig darüber, was sie tun sollte. Braedon hatte sie aufgefordert, die Flucht zu ergreifen, und ihre namenlose Furcht sollte sie eigentlich dazu drängen, dem scheuen Pferd die Fersen in die Flanken zu stoßen und loszureiten. Doch ihre Beine verweigerten sich ihrem Befehl.
Sie durfte ihn jetzt nicht im Stich lassen.
»Braedon!«, rief sie und ritt zum Schauplatz des Kampfes zurück.
Das Pferd wieherte ängstlich und rollte die Augen, als es begriff, was Ariana vorhatte. Es machte ein paar zögerliche Schritte, blieb dann stehen und rührte sich nicht mehr von der Stelle. Das Tier war einfach zu ängstlich, um ihrem Kommando zu folgen. Weiter vorne auf dem verschneiten Pfad hatte der Wolf sich in Braedons Schwertarm verbissen, sodass Braedon die Waffe fallen lassen musste. Mit einem Schrei schlug er dem Tier mit der Faust gegen den Schädel, dass sein Kopf zur Seite flog. Er schlug einmal, zweimal zu … , doch der Wolf ließ nicht von ihm ab. Stattdessen ging er erneut zum Angriff über und biss mit knirschenden Zähnen geifernd nach Braedon.
»Heilige Muttergottes … Braedon!«
Er war ein starker Mann mit der Kampferfahrung eines Kriegers, aber auch das Wissen darum konnte Arianas Sorge nicht vertreiben. Die Bestie hatte mordlüsterne Augen und kämpfte mit der Besessenheit eines rasenden Dämons. Mit einem Schrei, der sich in ihren eigenen Ohren fremd anhörte, sprang Ariana aus dem Sattel. Braedons Pferd, reiterlos und völlig verängstigt, stampfte mit den Hufen auf, als es sich aus dem Kampf zu befreien versuchte. Da seine Zügel noch immer um Braedons Bein geschlungen waren, stellte der ängstliche Hengst eine zusätzliche Gefahr für den
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