Der Kelch von Anavrin. Adrian schreibt als Lara Tina St. John - Adrian schreibt als Tina St. John, L: Kelch von Anavrin
schweren Treffer einstecken, bevor er zu einem wahren Sturmangriff ansetzte: Seine aufleuchtende Klinge glich einem Blitz, sein Zornesgebrüll war wie ein Donnerschlag, als er seinem Angreifer eine Serie tödlicher Schläge versetzte. Der Mann verlor den Halt und konnte sich nur noch auf einem Knie abstützen. Seine Lage wurde ihm zum Verhängnis, denn schon im nächsten Moment erstarb ein Schrei auf seinen Lippen, und sein Blut färbte den Schnee tiefrot.
Doch Braedon ließ nicht von dem Mann ab.
Ariana trat näher, sobald der Mann ganz still geworden war. Ihre Hand hatte sie vor den Mund gepresst, und sie brachte kein einziges Wort heraus. Der Schreck war ihr in die Glieder gefahren. Was auch immer dort lag – Mensch oder Tier oder eine verhexte Kreuzung aus beidem – , es war nicht mehr am Leben. Obwohl Braedon es erschlagen hatte, schien er nicht in der Lage zu sein, seine Klinge zu zügeln, die immer wieder in den leblosen Körper eindrang. Rasend vor Zorn schlug er immer und immer wieder auf die Bestie ein, so als glaubte er, sie könne zu neuem Leben erwachen, sobald er innehielt.
Braedons Wut erschreckte Ariana zutiefst, bis sie erkannte, dass es seine Hilflosigkeit war, die ihn so handeln ließ. Langsam ging sie auf ihn zu und rief seinen Namen. Er schien sie nicht wahrzunehmen. Wieder hob er das Schwert hoch über seinen Kopf. Seine Hand und sein Arm waren mit Blut besudelt, doch Ariane konnte nicht sagen, ob es von dem toten Gestaltwandler oder aus einer seiner eigenen zahllosen Wunden stammte. Sie stand hinter ihm, als er die Klinge ein weiteres Mal in dem entstellten Leichnam versenkte.
»Braedon!«, rief sie leise und legte ihm eine Hand auf die Schulter, ehe er zu einem weiteren Schlag ausholen konnte. »Braedon, nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist genug.«
Er hielt inne und hob beim Klang ihrer Stimme den Blick langsam von dem Blutbad zu seinen Füßen. Für einen langen Moment sah er sie an und schwieg. Dann warf er seine furchtbare Waffe zu Boden, drehte sich zu ihr um und zog sie in einer festen Umarmung an sich. Ariana schlang die Arme um seine schmale Taille und schmiegte die Wange an seine Brust. Er zitterte noch von der Anstrengung des Kampfes, und sein Atem kam stoßweise und flach, als er den Kopf hinabbeugte und sie auf den Mund küsste. Ariana hätte sich am liebsten in die Wärme seines Körpers gehüllt, brauchte sie doch den sicheren Schutz in seinen Armen und die Gewissheit, dass sie beide am Leben waren.
Braedon schien sich dieselbe Sicherheit von ihr zu erhoffen. Sanft hob er ihr Kinn mit einer Hand an und schaute ihr in die Augen. »Beim Allmächtigen! Warum seid Ihr nicht geflohen?« Seine Stimme war ein schroffes Wispern, doch in seinem Ton lag noch etwas anderes. Sein eindringlicher Blick hielt sie gefangen, während er ihr zart über die Wange strich. »Ist Euch denn gar nicht bewusst gewesen, wie dumm es von Euch war, nicht zu fliehen? Ihr hättet getötet werden können.«
»Ich … , ich konnte Euch nicht im Stich lassen«, bekannte sie außer Atem. »Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Euch etwas zustößt.«
Für einen langen Moment starrte er sie stumm an. Sein warmer Blick wanderte über ihr Gesicht und versank schließlich in dem Blau ihrer Augen. Ariana glaubte, er würde sie erneut küssen, als sie in seinem Ausdruck etwas Tiefgründigeres als bloße Erleichterung las. Und als er ihr mit den Fingern liebevoll durchs Haar strich, ließ er eine tiefe Sehnsucht erkennen.
Wahrhaftig, Ariana brauchte das Gefühl seiner starken Arme, die sie umschlungen hielten, sie sehnte sich nach der Geborgenheit seiner Umarmung. Sie brauchte die Gewissheit, dass auch sie ihm etwas bedeutete – dass sie sich den Gefahren, denen sie auf dem Weg noch begegneten, gemeinsam entgegenstellen würden.
»Geht es Euch gut?«, fragte er heiser, umfasste ihre Oberarme und schob sie auf Armeslänge von sich. Auf einmal war er wieder ganz Sachlichkeit, wäre da nicht das Leuchten in seinen Augen gewesen. »Seid Ihr verletzt worden?«
Ariana schüttelte den Kopf. »Nein. Aber Ihr … «
»Mir geht es gut.« Er bedachte den Toten mit einem finsteren Blick und stieß einen leisen Fluch aus. »Suchen wir uns einen warmen Ort für die Nacht.«
Ariana folgte Braedon zu dem Waldpfad, wo er das ausgerissene Pferd vermutete. Doch das verschreckte Reittier war nirgendwo zu sehen und offenbar längst geflohen. Also hob Braedon Ariana hinter sich in den Sattel und presste dem Pferd
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