Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)
gefreut.«
Erleichterung durchströmte sie, schwand allerdings genauso rasch wieder, als sich Haven ihr unausweichliches Schicksal erneut vor Augen führte.
»Kenrick … « Sie richtete sich mühsam weiter auf, die Augen vor Schreck geweitet. »Was hast du getan! Du hättest mich nicht herbringen dürfen. Es ist viel zu gefährlich … «
»Wo hätte ich dich denn hinbringen sollen?«, fragte er leise und schüttelte langsam den Kopf, während er Haven eine feuchte Strähne aus der Stirn strich. »Als ich dich auf dem Weg unterhalb von Glastonbury Tor eingeholt hatte, konntest du kaum die Augen aufhalten. Du brauchtest Hilfe.«
»Du hättest mich zurücklassen sollen«, sagte sie und drückte ihn von sich, auch wenn sie sich nach seinen Berührungen sehnte und sich in seine tröstenden Arme fallen lassen wollte. »Du hättest mich gehen lassen müssen. Verstehst du denn nicht? Ich bin nun ein Schatten. Die anderen werden mich jagen, wo auch immer ich hingehe.«
»Weil du Zuneigung für mich empfindest?«
Sie schloss die Augen für einen Moment. »Weil ich dich liebe, ja.«
»Dann erscheint es mir umso richtiger, dass ich dir zur Seite stehe, was auch immer kommen mag.« Als sie den Kopf wegdrehte, von Furcht erfüllt, legte ihr Kenrick sacht einen Finger unter das Kinn und zwang sie sanft, ihm wieder in die Augen zu schauen. »Mein Schwert und mein Leben, meine Schöne. Mit beidem werde ich dir zu Diensten sein.«
»Aber du verstehst nicht, Kenrick … «
Er ließ sie nicht zu Ende sprechen und brachte sie mit einem zärtlichen Kuss zum Schweigen. »Mein Schwert und mein Leben. Und jetzt auch mein Herz, wenn du es noch haben möchtest.«
Zunächst sagte Haven nichts, fürchtete sie doch, ihr würden nichts als törichte Worte über die Lippen kommen. Sie wagte nicht zu hoffen, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
Schließlich konnte sie die Ungewissheit nicht länger ertragen und starrte Kenrick mit weit aufgerissenen Augen an. »Dein … Herz?«
Er nickte. »Ich liebe dich, meine süße Zauberin. Ich habe die ganze Zeit an deinem Bett darauf gewartet, dass du aufwachst, damit ich es dir sagen kann.«
Haven wurde das Atmen schwer, ein leiser Schluchzer schlich sich in ihre Frage. »Du liebst mich?«
»Von ganzem Herzen. Ich war zu töricht, es mir selbst einzugestehen, bis ich glaubte, ich hätte dich auf dem Tor verloren.«
Zuerst dachte sie, sie hätte ihn womöglich falsch verstanden. Doch er sah sie so zärtlich an. Da wusste Haven, dass sie sich nicht verhört hatte. Tief empfundene Gefühle lagen in seinem warmen Blick.
Sie traute sich kaum, sich bewusst zu machen, was seine Worte wirklich bedeuteten, zumal die Ereignisse in der Kapelle nun noch einmal vor ihrem geistigen Auge abliefen.
»Oh, Kenrick. Du warst es«, sagte sie, und ihr Erstaunen raubte ihr schier die Stimme. Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, heiße Freudentränen, die ihr jetzt ungehemmt über die Wangen liefen. »Du warst es. Die Feuerwand hat uns nicht verbrannt, und Calasaars Kraft hat mich nicht verzehrt, obwohl ich eine Gestaltwandlerin bin – deinetwegen.«
Zweifel lagen in seiner ernsten Miene. »Das ist zu viel der Ehre, Haven. Was habe ich denn anderes getan, als meinen Glauben in die Kraft des verfluchten Kelchs zu legen?«
»Du hast deinen Glauben in mich gelegt.« Sie hob seine Hand an ihre Lippen und drückte einen Kuss auf seine kraftvollen Finger, die sich um ihre schlossen. Jetzt, da sie ihn wieder berühren konnte, schwor sie sich, ihn niemals wieder zu verlassen. »Verstehst du denn nicht? In jenem Augenblick in der Kapelle hast du mir endlich voll vertraut. Du hast an mich geglaubt.«
»Oh, meine Liebste. Ich bin dir gegenüber nicht gerecht gewesen. Ich hatte einfach nicht den Mut, an unsere Liebe zu glauben. Ich hatte Angst, meinen eigenen Gefühlen zu vertrauen. Daher verbannte ich dich viel zu lange aus meinem Herzen. Kannst du mir vergeben?«
»Vergeben?« Sie lachte leise durch die Tränen hindurch. »Kenrick of Clairmont, mein Geliebter. Du hast mich gerettet. Wieder einmal. Und nun für immer.«
»Meine liebe Haven.« Er schloss sie in die Arme und hielt sie lange eng umschlungen. »Du hast mich gerettet. Zweifle nie daran. Gemeinsam können wir allem widerstehen, auch denen aus deinem Clan, die so töricht sind, meine Besitztümer zu betreten.«
Seine Worte rührten sie, wusste sie doch, dass er es ernst meinte. Haven löste sich ein wenig aus seinen Armen, um ihn anzuschauen.
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