Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)
Mauern von Clairmont sicherer. Außerdem mag ich dich nicht halten, solange das Blut dieses Bastards an meiner Kleidung haftet.«
Mit großem Widerwillen löste er sich von ihr. Doch sie hielten einander an den Händen, die Finger eng miteinander verschlungen.
»Komm mit mir, Haven. Lass mich dich zurück in meine Burg bringen.«
Seine Absicht war leicht zu durchschauen, doch er konnte sein Verlangen nach ihr nicht länger verbergen. Nach der Gefahr, in der sie an diesem Morgen beide geschwebt hatten, sehnte er sich umso stärker nach der tröstenden Umarmung der Frau, die sein Herz beherrschte.
Denn die Wärme ihres bezaubernden Leibes umfing ihn.
Sie wusste, um was er sie im Stillen bat; er konnte es in ihren wachen grünen Augen lesen. Schweigend sah sie zu ihm auf, ehe sie sich als Antwort erneut in seine Arme schmiegte.
19
Sie ritten vom Dorf zurück zur Burg, noch ganz unter dem Eindruck des Vorfalls. Haven saß hinter Kenrick und klammerte sich an seine Taille, die Wange an seinen festen, warmen Rücken geschmiegt. Sie fand Trost in seiner Nähe, ein unbeschreibliches Sehnen breitete sich in ihr aus.
Sie vertraute ihm.
Trotz all der Ereignisse des Morgens fühlte sie sich bei ihm sicher.
Mochten auch die unliebsamen Schatten aus der nahen Vergangenheit einer dunklen, hohen Welle gleich in ihr Bewusstsein zurückfluten, Haven war überzeugt, dass ihr kein Unheil drohte. Nichts Böses konnte ihr etwas anhaben, wenn sie bei Kenrick war, seine zärtlichen Finger spürte, mit denen er ihr über das Handgelenk strich, während er sein Pferd über den Burggraben und in den Schutzbereich des inneren Burghofs lenkte.
Er zog die Zügel an, stieg ab und half ihr vom Rücken des Pferds. Ein Knappe führte das stattliche Tier zu den Stallungen, während zwei junge Burschen herbeieilten, um ihrem Herrn beim Ablegen des Kettenhemds und des Mantels behilflich zu sein.
»Sagt den Bediensteten, sie sollen mir ein Bad in meinem Gemach bereiten«, trug er einem der Jünglinge auf.
»Ist alles zu Eurer Zufriedenheit, Mylord?«, fragte der Knappe. Verunsichert musterte er die Blutflecken auf Kenricks Mantel und Kettenhemd – Blutspritzer, die von dem Kampf auf Leben und Tod zeugten, der sich in der Scheune zugetragen hatte. Dann wanderte sein Blick zu Haven, die sich bei der Flucht durch den Wald Kratzer im Gesicht und auf den Unterarmen zugezogen hatte. »Was ist geschehen, Mylord? Ich hoffe, dass Eure Verletzungen nicht ernst sind.«
»Das Blut, das du siehst, gehörte einem anderen Mann«, beruhigte Kenrick den treuen Jungen und legte einen schützenden Arm um Havens Schulter. »Nun lass die Bediensteten das Bad vorbereiten und sorg dafür, dass man uns auch Wein bringt. Lauf, Junge, beeil dich.«
Mit einem eifrigen Nicken lief der Knappe davon, um den Auftrag auszuführen.
Haven war bewusst, dass es sich nicht schickte, sich in dieser Weise an den Burgherrn zu schmiegen, aber nach allem, was sie hatte mit ansehen müssen, brauchte sie jetzt seine Unterstützung. Sie vermochte sich nicht zu erklären, warum seine Kraft ihr die Angst nahm und allein seine Nähe – ja, seine Berührung – sämtliche dunklen Gedanken aus ihrem Kopf verbannte.
Sie genoss den Halt in seinem starken Arm, während sie über den Burghof schritten und dem Burgfried zustrebten. Und obwohl Kenrick und sein Gast ein Bild von trauter Zweisamkeit abgaben, verlor keiner der Bewohner von Clairmont Castle ein böses Wort. Einige Leute schauten zwar neugierig von der Arbeit auf und wunderten sich über den Burgherrn und die schutzbedürftige Frau in seinem Arm, aber nirgendwo begannen die Bewohner hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln, als Kenrick und Haven die Stufen zum Wohnturm erklommen.
So stiegen sie in den geschützten Bereich von Kenricks Gemächern.
Obwohl er nichts Genaues hatte verlauten lassen, wusste Haven sofort, wohin Kenrick sie geleiten würde.
Sie hatte es bereits gewusst, als er sie auf der kleinen Lichtung geküsst und gebeten hatte, mit ihm zur Burg zurückzukehren. Und sie wusste es auch jetzt, als sie die zweiflügelige Tür zur Großen Halle gemeinsam durchschritten.
Doch plötzlich blieb Haven stehen und löste sich ein wenig aus Kenricks Wärme. Zweifel nagten an ihr, ein unbestimmtes Gefühl gemahnte sie zur Vorsicht. Es gäbe kein Zurück mehr, sobald sie den ersten Schritt in sein Schlafgemach getan hätte.
»Kenrick … «
Sie wollte sich ihm verweigern, doch die Worte kamen ihr nicht über die Lippen. Nur
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