Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)
Verzweifelt schlug er hinter sich, um die Flammen zu ersticken, die seinen Rücken entstellten.
Zu Rands Erleichterung war Serena wieder zurückgewichen. Sie ging mit dem Kelch zu Calandra, die unweit des Weihers zusammengebrochen war. Rand ließ keinen Moment ungenutzt verstreichen. Rasch war er wieder auf den Beinen, schwang das Schwert hoch über dem Haupt und erlöste das Untier mit einem tödlichen Hieb von seinen Qualen.
Wenige Schritte von ihm entfernt hatte sich auch le Nantres soeben seines Gegners entledigt. Scheinbar gleichgültig zuckte er die Schultern. Ihre Blicke begegneten einander, und Rand glaubte, Überheblichkeit in der Miene des Ritters zu entdecken. Der dunkelhaarige Kämpfer blutete und setzte einen Fuß mühsam vor den anderen. Seine Züge wirkten hager. Er sah aus wie der wandelnde Tod.
»O Gott!«, rief Serena und eilte in Rands Arme. »Ich hatte furchtbare Angst. Bist du verletzt? Du blutest!«
Rand zog sie eng an sich und war froh, dass er ihren Herzschlag spüren konnte. Schon war er im Begriff, sie für ihren unbedachten Vorstoß zu tadeln, doch ihm fehlten die Worte. Alles, was er für sie hatte, waren zärtliche Küsse und der Wunsch, sie für immer so halten zu können.
Er wusste nicht, was ihn dazu veranlasste, in diesem Moment aufzuschauen. Vielleicht war es das rauschende Wasser, das sich in den Weiher ergoss, oder die fahle Morgendämmerung, die über die Baumwipfel kroch. Aber als er dann den Blick hob und Calandra sah, entfuhr ihm in diesem friedvollen Moment ein herber Fluch.
»Serena, meine Liebe«, wisperte er an ihrem glänzenden Haar.
Aber sie schien es bereits zu wissen. Da sie ihn eng umschlungen hielt, spürte sie durch die Kraft der Ahnung, was Rand in diesem Moment sah.
Serena löste sich aus seiner Umarmung. Mit Tränen in den Augen blickte sie zum Weiher. Dort kauerte Calandra mit hängenden Schultern; der Drachenkelch lag umgestürzt auf ihrem Schoß und hatte ihr Gewand vorne durchnässt. Tropfen rannen über ihr Kinn, die von dem tödlichen Trank stammten, den sie sich selbst verabreicht hatte.
»Mutter?«, rief Serena mit belegter Stimme. »O nein, nein, das darf nicht sein!«
Serena hatte weiche Knie, als sie zu der Stelle ging, an der Calandra – nein, es war ihre Mutter – so klein und reglos auf dem harten Fels kauerte, der den Weiher umschloss.
Sie kniete sich hin und nahm Calandras Hand. Eine Woge der Trauer erfasste sie, aber diesmal waren es ihre eigenen Empfindungen. Die Ahnung zeigte ihr nur die tiefe Mattigkeit und Schicksalsergebenheit, wie sie in Calandras Herz herrschten.
»Was hast du getan, Mutter? Warum? Warum jetzt?«
»Oh, mein Kind.« Calandra lächelte und streichelte Serena über die Wange. »Ich habe zu lange gelebt. Ich habe gesehen, wie all meine Kinder und Kindeskinder das Licht der Welt erblickten und irgendwann wieder aus dem Leben schieden. Nun bin ich müde. Das Leben hier in der Welt der Sterblichen ist so schwer für mich.«
»Aber wir waren doch glücklich«, erwiderte Serena leise.
»Ja, das sind wir gewesen.« Calandra nickte. »Aber es war falsch von mir, dich hier im Wald versteckt zu halten. Ich sagte mir immer, dass es nur zu deinem Schutz sei, aber in meinem Herzen wusste ich, dass ich aus Eigennutz so handelte. Denn du warst alles, was mir in dieser Welt geblieben war, und ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dich zu verlieren.«
»Du hättest mich nie verloren, Mutter. Niemals.«
Rand trat hinter Serena und legte eine Hand auf ihre Schulter. Die Wärme seiner Berührung gab ihr Kraft, als Calandras Finger allmählich kalt wurden.
»Du bist ein außergewöhnliches Kind gewesen, Serena. Und nun bist du zu einer außerordentlichen Frau herangewachsen. Ich bin … so stolz auf dich.«
»Warum verlässt du mich dann?«
»Damit du frei sein kannst, mein liebes Kind.«
Serena musste ein Schluchzen unterdrücken, ihre Stimme klang belegt. »Ohne dich bin ich verloren, Mutter.«
»O nein«, sagte Calandra mit einem langen Seufzer, »du warst niemals verloren. Dein ganzes Leben lang hast du deinen eigenen Weg vor Augen gehabt. Und jetzt hast du jemanden, der für dich sorgen wird und dir von Herzen zugetan ist.«
»Ich liebe sie«, bekannte Rand, ging in die Hocke und legte den Arm um Serenas Schulter. »Ich liebe sie mehr als das Leben selbst.«
Serena fing seinen zärtlichen Blick ein, schaute in seine ebenmäßigen Züge. In diesem Moment verspürte sie ein unbeschreibliches Glücksgefühl, doch
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