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Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Geheimnisvolle Gabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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Moment meinte Serena, ihr Spiegelbild in seinem Blick erahnen zu können. Sie sah ihre eigenen Augen, geweitet und wachsam, angefüllt mit etwas, das tatsächlich so aussah wie … Hoffnung.
    Sie konnte nicht länger leugnen, dass ein seltsames Band zwischen ihr und diesem gequälten Mann bestand, geformt durch die Kraft ihrer Ahnung. Sie wusste, was in ihm vorging. Sie kannte seinen Schmerz. Sie wusste, dass er nur noch lebte, um seine Hände in das Blut eines anderen Mannes zu tauchen. All dies hatte sie gesehen, doch hier stand sie nun, keine Armeslänge von ihm getrennt inmitten des Waldes, und verlangte Rücksicht von ihm.
    Sie zwang ihn zu einem Zugeständnis, bat ihn, ihre Forderungen hinzunehmen. Doch all das erschreckte sie plötzlich.
    »Ist da noch mehr, Serena?«
    »Ja«, sagte sie und schaute weg, als sich sein Blick tief in ihre Augen senkte. »Ich brauche Euer Wort, dass Ihr uns verlasst, sobald Ihr wieder ganz genesen seid. Sobald Ihr über all das verfügt, was Ihr noch braucht, um Eure … Suche fortzusetzen. Werdet Ihr dann gehen und uns in Ruhe lassen?«
    »Ich werde keinen Augenblick länger als nötig bleiben.« Er legte zwei Finger auf seine Brust, wo sein Herz mit dem Schmerz des Verlusts und in schwelendem Zorn schlug. »Ich gebe Euch mein Wort. Meine Aufgaben liegen woanders. Ich werde nicht bleiben.«
    »Gut«, erwiderte sie und verspürte augenblicklich Erleichterung. »Dann sind wir uns ja einig.«
    »In der Tat«, sprach er leise, doch nicht weniger entschlossen.
    Serena nickte kurz, sah sich aber nicht in der Lage, ihm in die Augen zu schauen, denn sie spürte seinen musternden Blick auf sich ruhen.
    »Also gut.«
    Seine Mundwinkel zuckten leicht, sodass Serena beinahe glaubte, ein kleines Lächeln in seiner Miene zu entdecken. Er quälte sie, dieser düstere Fremde mit dem gebrochenen Herzen und den durchdringenden Augen. Er löste eine Unruhe in ihr aus, die sie nicht in Worte zu fassen vermochte.
    Aber an diesem Tag hatte sie einen Sieg errungen. Sie hatte die Bedingungen klar abgesteckt, unter denen er bleiben konnte, und er hatte zugestimmt. Die durch die Baumkronen fallenden Sonnenstrahlen ließen Licht und Schatten über sein Gesicht huschen, als sie zu ihm aufschaute und ihren kleinen Triumph auskostete.
    Sie würde sich nicht mehr vor ihm fürchten. Fürwahr, sie fürchtete diesen Mann nicht.
    Nein, viel schlimmer war das aufblühende Gefühl, das seit dem Augenblick in ihr gewachsen war, als ihre Berührung seinen geheimen Schmerz offengelegt hatte. Was sie nun fühlte, war Mitleid. Ihr Mitgefühl, ihr Wunsch, den anderen zu verstehen und ihm Trost zuzusprechen, breitete sich in ihrem Herzen aus.
    Etwas, das tiefer ging als die Ahnung, verriet ihr, dass sie genau dies am meisten fürchten müsste: das Mitgefühl für einen Mann wie Randwulf of Greycliff, und mochte es auch noch so klein sein.
    »Hier entlang«, sagte sie und vergrub ihre Hände in ihren Rockfalten, da sie in ihrer Unsicherheit mit einem Mal nicht wusste, wohin mit ihnen. Rasch ging sie an ihm vorbei, schlug den schmalen Pfad ein und setzte den zermürbenden Rundgang durch das Waldgebiet fort.

9
    Der Rundgang durch den Wald, den Rand angeregt hatte, dauerte beinahe den ganzen Nachmittag. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass die Zeit in Serenas Gegenwart rasch vergangen war, beinahe angenehm. Er war ihr durch das schier endlose Dickicht gefolgt, war des Öfteren stehen geblieben, hatte den Blick über das Buschwerk streifen lassen und zugehört, als Serena ihm zeigte, wo die Quellen im Wald sprudelten und an welchen Stellen es besonders viele Waldkräuter, Früchte und Pilze gab. Auch die Stellen, an denen sie während der letzten Wochen Fallen entdeckt hatte, ließ sie nicht aus.
    Der steinerne Grenzverlauf zwischen dem Wald und der äußeren Welt war gut erkennbar, auch wenn Zeit und Vegetation einige Abschnitte der fußhohen Mauer zerstört hatten. Rand entging nicht, dass es Serena keinen Augenblick gewagt hatte, einen Fuß über die alte Einfriedung zu setzen.
    Ihr Blick hingegen hatte sich nicht in gleicher Weise einschränken lassen. Mit großen Augen, in denen sich eine Sehnsucht spiegelte, die sie nicht zu verbergen suchte, blickte sie über die Begrenzung ihrer abgeschiedenen Welt hinaus. Unweigerlich fragte sich Rand, wie sich diese eigenartige, unerfahrene Frau in einer Stadt verhalten würde. Was mochte sie zu dem lauten Treiben eines Festbanketts in einer Burghalle sagen?
    Er malte sich aus,

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