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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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vorgegebenen Lauf der Dinge verhindern könnte.«
    »So ist das oft!«, spottete Naiman und deutete auf den mampfenden Dickhäuter. »Ihr steht viel zu dicht vor der genialen wie massiven Lösung unseres gemeinsamen Problems! Wisst Ihr eigentlich«, zog er seine Erklärung genüsslich in die Länge, »wie sich ein solch friedliches Tier in eine alles niederwalzende, wütend tobende Kampfmaschine verwandelt? « Er ergötzte sich an dem törichten Gesichtsausdruck des Ali, bevor er die Antwort preisgab: »Feuer!«, zischte er. »Feuer versetzt Elefanten in panische Angst, lässt sie blindwütig rasen!«
    Ali - statt hinzuhören - riss seinen Dolch heraus und tat einen mächtigen Satz, an dem erschrockenen Naiman vorbei, hinter die nächste Säule. Er zerrte den ebenfalls überraschten Joshua hervor.
    »Ich kam nur zu fragen«, stotterte der Zimmermann eher ärgerlich ob der Behandlung als eingeschüchtert, »ob Ihr einer neuen Runde unseres Wesen-Spiels die Ehre geben wollt!«
    Aus den Schatten der sie umgebenden Pfeiler traten jetzt mehrere, wenig Vertrauen erweckende Gesellen.
    »Meine Leute!«, erklärte knapp der Agent. »Sollte der Kerl uns schon die ganze Zeit belauscht haben - « Er ließ den Satz unbeendet im Raum stehen. Joshua schwieg grimmig. »Schafft ihn zu den Kakerlaken!«, ordnete Naiman an und wandte sich wieder Ali zu. »Ihr habt noch viel zu lernen, junger Herr«, empfahl er mit ironischer Verbeugung. »Also überlasst das Präparieren des Elefanten mir und begebt Euch zum Baouab, mit der höflichen Bitte, der Bevölkerung von Damaskus heute Abend anlässlich der Thronbesteigung ein festliches
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    Feuerwerk zu gestatten, weswegen er den Beginn der Feierlichkeiten tunlichst bis zum Anbruch der Dunkelheit verschieben soll!« Naiman war Herr der Situation.
    Josh der Zimmermann wurde gefesselt und mit einem Sack über dem Kopf abgeführt. Ali machte sich auf den angegebenen Weg. Wenn er erst einmal Herrscher von Damaskus wäre, würde er diesem schielenden Hinker seinen Hochmut schon heimzahlen!
    Aus der Chronik des William von Koebr uk
    Es setzt mich immer wieder in Erstaunen, wie viele mir völlig unbekannte Pfade durch das Gebirge führen, auf denen ein eher kostbar anmutender Trupp wie der unsere von niemandem gesehen wird, ein paar Schafhirten mal ausgenommen. Ich trabte folgsam hinter der schwarzen Sänfte her, jenem bei mir immer noch eine starke Beklemmung auslösenden Gehäuse der Grande Maitresse, das jetzt auf Reisen von acht Turkopolen getragen wurde, während je vier jener ebenfalls schwarzgewandeten Tempelritter die Vor- und die Nachhut bildeten. So erreichten wir eine mächtige Burg in den Bergen oberhalb des Jordan, die mir bei näherem Hinschauen plötzlich arg bekannt vorkam. Dies musste der Ort gewesen sein, an dem mich jener ältere - und unbestreitbar ranghohe Templer mit der krächzenden Stimme aus der vorausschauenden - wenn auch von mir nicht ganz freiwillig erduldeten - Obhut des Lorenz von Orta gerissen hatte. - Womit er mich de facto dem Inquisitionstribunal des Patriarchen überantwortete, der mich dann zu ersäufen trachtete, wie einen überzähligen Wurf junger Katzen!
    Also keine ermutigende Erinnerung, doch jeder Zweifel wurde mir genommen, als wir in den Hof einritten und die Sänfte der Grande Maitresse von eben diesem Tempeloberen mit dem gleichen unverwechselbaren Krächzen empfangen wurde. Ich bekam auch diesmal weder ihn noch die betagte Insassin zu sehen, denn ihr Gehäuse wurde sofort ins Innere der Burg getragen. Meiner Wenigkeit wurde hingegen so wenig Wert beigemessen, dass man mich erst
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    mal im Burghof stehen ließ, in Gesellschaft der Sänftenträger, mir selbst überlassen. So brachte ich wenigstens in Erfahrung, dass es die Ordensburg Safed war, auf der ich mich befand, und dass sie dem - nach Großmeister Thomas Berard - im Rang am höchsten stehenden Groß-Prior Karl von Gisors unterstünde, der auch noch das Ehrenamt eines Marschalls militiae templi Salomonis bekleide. Das wurde mir nur zögerlich und flüsternd anvertraut, woraus ich entnehmen durfte, dass dieser hohe Herr recht gefürchtet war.
    Kurz darauf erhielten die mich beaufsichtigenden Turkopolen Befehl, den Minoriten William von Roebruk ins
    »Archiv« zu bringen. Dies war ein fensterloses Gewölbe im ersten Stock der weitverzweigten Burg, hinter einer Tür aus dicken Eichenbalken, stark wie ein Rammbock. Vor ihr harrte meiner schon ein spindeldürres, schlohweißes Männlein,

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