Der Kelim der Prinzessin
entgegnete Yeza schroff und entzog sich seiner Umarmung. »Und wie in letzter Zeit schon so oft, hast du sie versäumt.« Um ihre Worte zu unterstreichen, rückte sie mit dem Hintern spürbar von ihrem Gefährten ab.
Roc zog es das Herz zusammen, er bezwang sich, nicht nach ihrem Leib zu greifen, den Anschein zu erwecken, die fortstrebende Yeza halten zu wollen. Er spürte den neuerlichen Flügelschlag der Fledermaus, die über die inmitten des Kelims Lagernden hinweggestrichen war. Ihn fröstelte.
ES WAR SCHON SPÄT IN DER NACHT. »Der Il-Khan empfängt den Gesandten des Königs der Franken!«,
verkündete der Herold. »Alle anderen verlassen den Raum!« Drängelnd und von den Wachen geschoben, strebte 44
die Menge den Ausgängen zu. Das Zelt leerte sich im Nu. Khazar und Baitschu führten den Bretonen vor den Thron, verneigten sich tief und verließen rückwärts schreitend als Letzte den Ort. Hulagu wartete dies gar nicht erst ab.
»Kündigt Ihr mir das Kommen Eures Herrn, des Königs, an?«, überfiel er den Bretonen, kaum, dass der sich erhoben, seinen Kotau hatte er blitzschnell vollzogen. Yves schüttelte den Kopf. »Kann Euer Herr König die Fürsten zwischen der Syrischen Pforte und dem Flusse Nil dazu bewegen« - hatte die erste Frage noch wie ein Peitschenschlag geknallt, erschlaffte in der Fortsetzung der ausgeübte Druck - »sich dem großen Glück der pax Mongolica nicht länger zu verschließen? «
Yves wiegte abermals verneinend sein kantiges Haupt, sah sich dann aber doch zu einer Erklärung veranlasst.
»Dass mein König Ludwig hier überhaupt noch Einfluss ausübt, liegt einzig und allein an der Uneinigkeit der in diesem Bereich ansässigen Fürsten, die alle untereinander so verstritten, dass sie keiner gemeinsamen militärischen Handlung fähig sind.« Diese Worte vernahm der Mongole mit so sichtbarem Wohlgefallen, dass Yves ihm einen Dämpfer verpassen musste. »Das heißt aber noch lange nicht, dass die Friedensherrschaft der Mongolen hier willkommen geheißen wird. Die christlichen Barone des Königreiches von Jerusalem< - ein hohler Titel aus vergangenen glorreichen Tagen«, flocht er mit dem ihm eigenen Sarkasmus ein, »sehen in Euch ihren Verbündeten.«
»Ihren Souverän, will ich hoffen!«, unterbrach ihn Hulagu milde. »Wenigstens Eures Königs Barone sollten so viel Klugheit aufbringen.«
»Selbst das ist zu bezweifeln«, nahm ihm Yves solche Zuversicht. »Darin sind sie sich noch am ehesten einig, dass sie keinen Oberlehnsherren über sich wollen.«
»Aber wir bringen ihnen das Königliche Paar«, hielt Hulagu immer noch hoffnungsvoll dagegen, »das seine Friedensherrschaft im Namen des Großkhan errichten wird.« Die Stimme des Il-Khan hatte wider Willen doch einen fragenden Unterton erhalten.
»Die Frage ist doch - schon weil sie sich noch nicht gestellt hat: Wollen die Fürsten dieses Gebietes, das Ihr großzügig den >Rest
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der Welt< heißt, Rog und Yeza überhaupt als Herrscherpaar? Sicher nicht als Puppen, an deren Schnüren der erhabene Großkhan im fernen Karakorum nach Belieben zupft und zieht!«
»Eure Offenheit ist bewundernswert!«, seufzte der Il-Khanund lehnte sich zurück. »Womit haben diese Fürsten Unsere Milde verdient? !«, fragte er nachdenklich mehr sich selbst als den Gesandten. Der schwieg mit Geschick.
»Könnt Ihr mir, Herr Yves«, ergriff die Dokuz Khatun das Wort, »wenigstens die Prinzessin Yeza wieder herbeischaffen? Es ist nicht gut, wenn ein junges, unverheiratetes Mädchen allein ...« Die bekümmerte Dame suchte nach den rechten Worten.
Yves gab sich verständig. »Ich werde alles versuchen, hohe Frau«, sagte er galant, »Euren Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen.«
Die >Erste Frau< schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
»Bleibt als Unser Gast!«, ließ sich der Il-Khan vernehmen. »Wir haben noch viel zu bereden.«
Yves verneigte sich flüchtig. Diesmal schenkte er sich auch nur die Andeutung eines Kotau.
Die Nacht war kalt, kälter geworden, je länger sie sich hinzog. In stummer Wut hatte Roc auf Yezas abgewandten Rücken gestarrt. Sie hatten lange genug auf dem glatten Kelim nebeneinander gelegen wie zwei steife Fische.
»Du bist ohne Liebe, Yeza«, sagte er hart. »Deswegen willst du ein Kind, um die Welt und vor allem dich darüber hinwegzutäuschen. Doch unsere Aufgabe als Königliches Paar ist eine andere -« Er unterbrach sich, weil er sah, dass Yeza weinte. »Wenn wir unserer Bestimmung gerecht werden wollen, müssen
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