Der Kelim der Prinzessin
hatten, bevor er mit behendem Schnitt die Aufhängung des Wandschmucks durchtrennte - vor 48
ihm stand etwas verdattert, aber keineswegs verängstigt der Knabe Baitschu.
»Ich musste mich heimlich bei Euch einschleichen« - verlegen grinste er seinen Entdecker an -, »denn mein Herr Vater würde es kaum leiden, wenn ich einen hohen Herrn und Ritter wie Euch behellige.«
»Was gibt 's denn so Dringliches«, knurrte der Bretone ziemlich ungehalten, er war müde, »dass es nicht bis morgen Früh Zeit hätte?«
Baitschu hockte sich auf das herabgestürzte Teppichgewulst und schaute vertrauensvoll zu ihm auf. »Ihr, Herr Yves, seid der Einzige, der mir helfen kann, ein Paladin des edlen Roc Trencavel und seiner Prinzessin Yeza Esclarmunde zu werden. Allein das ist - ich schwöre es - mein aufrichtiges Begehren!«
Der Bretone betrachtete ihn ärgerlich amüsiert. »Und damit konntest du nicht bis morgen warten?!«, wies er ihn zurecht, doch Baitschu ließ sich nicht so leicht einschüchtern.
»Ich weiß genau, dass Yves der Bretone nur deswegen bei uns weilt, um selbst dafür zu sorgen, dass die Mongolen die Suche nach dem Königlichen Paar endlich ernsthaft betreiben. Ihr werdet nicht ruhen, bis es gefunden ist.«
Yves zeigte nicht, wie angetan er von der Ernsthaftigkeit des Knaben war. »Auch wenn dem so wäre, kommst du an der Einwilligung deines Herrn Vaters nicht vorbei«, wiegelte er ab, »und nun lass uns Roc und Yeza erst einmal ausfindig machen - und mich schlafen!«, setzte er auffordernd hinzu und schob seinen jugendlichen Besucher Richtung Zelttür.
Baitschu mochte sich nicht geschlagen geben. »Ich wollte nur sicherstellen, Herr Yves, dass Ihr wisst, wie sehr ich mir nur eines wünsche, Euch auf Eurer Suche zu begleiten - und da ich mir gewiss bin, dass Ihr jederzeit aufbrechen könnt ...« Der junge Mongole warf sich stolz in die Brust. »Ich will der Erste sein, den das zukünftige Herrscherpaar in seine Dienste nimmt!«
Der Bretone legte mit fürsorglicher Schwere seine Hand auf die kräftige Schulter des Knaben. »Ein solcher Dienst könnte dir mehr abverlangen, Baitschu, als du dir in deinem jugendlichen Eifer
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vorzustellen vermagst. Der Weg von Rog Trencavel und Yeza Esclarmunde - selbst wenn sie dank ihrer Einzigartigkeit den Thron erringen, der ihnen bestimmt ist - wird bitter hart werden. Viele Feinde und Neider werden sich gegen sie stellen - nur wenige Freunde werden schlussendlich treu zu ihnen stehen - «
»Umso mehr will ich sie beschützen, an Eurer Seite, Herr Yves, als Euer Schildknappe und Schwertträger!«
Der Bretone lächelte traurig, er neidete dem Jungen dessen Zuversicht. »Gewaltig ist die Last der Verheißung -«
Der Knabe ließ sich nicht beirren. »Einzigartig! Das hat auch mein Herr Vater gesagt - und Euer Einsatz, Herr Yves, beweist mir, dass ich recht daran tue, für Rog Trencavel und die Prinzessin Yeza mein Leben in die Waagschale zu werfen!«
Der Bretone beförderte ihn mit kräftiger Hand über die Schwelle. »Nun geht der Knappe erst mal zu Bett!«, befahl er ihm. »Gut ausgeschlafen und im vollen Besitz aller Kräfte, das ist die wichtigste Voraussetzung für jeden Dienst bei Hofe!«
Baitschu verschwand.
ES WAR IM ERSTEN MORGENGRAUEN, dass Rog noch
im Halbschlaf die Augen aufschlug. Er nahm die Unruhe rings um den Teppich kaum wahr. Er sah zwar unscharf herumhuschende Gestalten, hielt sie jedoch für die Beduinen, die offensichtlich noch vor Tagesanbruch aufbrechen wollten, und da ihm der Schlaf wohlig in den Gliedern saß, sah er keine Veranlassung, fröhliche Bereitschaft zu zeigen, sich schon zu erheben. Wie immer würde er warten, bis der Älteste kam, um mit aufmunternden Worten das Königliche Paar zu wecken. Neben sich verspürte er den ruhigen Atem der fest schlafenden Yeza. So schloss er seine Lider wieder, mit dem Vorsatz, sich die verbleibende Zeit dem Schlummer hinzugeben.
Das Nächste, was er zu spüren bekam, war dann ein Ruck, mit dem sich ein Strick um seine Fußgelenke zusammenzog, ihn rücklings wegriss von dem gemeinsamen Nachtlager und über den Teppich schleifte. Hilflos, ohne die Möglichkeit sich zu wehren, wurde
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er bis zum Rand des Kelims gezerrt. Rog war schon darauf gefasst, jetzt von dem spitzsteinigen Geröll zerfetzt zu werden, als kräftige Fäuste ihn aufrichteten, einen weiteren Strick um Leib und Arme schlangen und ihn wortlos seinem Schicksal überließen.
Jetzt erst erkannte Rog, warum die Beduinen immer noch so
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