Der Kelim der Prinzessin
wir unsere kleinen Wünsche zurückstellen, bis wir -«
»Tot sind!« Yeza schämte sich ihrer Tränen, doch nicht ihres Unmuts. Sie war auch nicht kleinmütig, sondern eher zornig. Roc machte sich noch immer Illusionen, bildete sich ein, den versprochenen Thron >im Kampf< erstreiten zu können. »Wir werden
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sterben«, erklärte sie traurig, fast, dass sie ihm Trost zusprach, »ohne, dass irgendetwas von uns bleibt.
Deswegen« - sagte sie leise - »wünsche ich uns ein Kind.«
Roc nahm sie wieder in den Arm. »Es soll eine Zukunft haben«, sprach er, ihr ebenso freundlich wie falsch zuredend. »Sobald wir unsere Herrschaft angetreten haben, wird auch ein Kind von unserem Glück zeugen. Das versprech' ich dir!«
Yeza wusste, dass es nicht die Wahrheit war. Nicht, dass Roc sie wissentlich belog, aber die Dinge würden sich nicht zum Besseren, eher zum Schlechten wenden. Das Gespür dafür hatte sie ihm - nicht an Erfahrung, sondern aus weiblichem Instinkt - voraus. Wenn sie es jetzt nicht wagten, sich nicht auf das Risiko einließen, dann würde es immer neue Gründe geben, den Schritt zu verschieben. Womöglich war es ihnen nicht beschieden, Nachkommen zu haben? Sollte nichts von ihnen zeugen, wenn sie ihre Bestimmung verfehlten? Yeza hatte sich gewünscht, dass ihr Liebster in seiner stürmischen Art ihr helfen würde, ihre Grübeleien, ihre Zweifel wegzuwischen, wie der Wind die Wolken vertrieb. Rogs Zaudern hatte sie maßlos enttäuscht. Dennoch würde sie den Weg an seiner Seite gehen. Sie waren das Königliche Paar!
Allein, jeder für sich, waren sie zum Scheitern verurteilt. Zusammen hatten sie eine geringe Chance. Ein Ausweg oder auch nur ein Abweichen vom vorgezeichneten Weg war wahrscheinlich gar nicht mehr möglich. Yeza begnügte sich damit, Rog einen flüchtigen Kuss auf die Stirn zu geben, und drehte sich zur Seite. Die Beduinen rings um den Teppich schienen im Sitzen eingeschlafen. Yeza fiel auf, dass sie in dieser Nacht kein Lagerfeuer entzündet hatten, dabei war es empfindlich kalt im Gebirge. Vielleicht wollten sie keine bösen Geister auf sich ziehen, die in der Dunkelheit von dem Licht hätten angelockt werden können. Die Fledermäuse flogen nicht mehr, stellte Yeza fest. Dann übermannte sie der Schlaf.
Rog lag noch lange wach. Er hatte seinen Arm schützend um Yeza gelegt. Die ungute Auseinandersetzung hatte ihn aufgewühlt. Nicht, dass ihn ein schlechtes Gewissen überkam. Yeza und er warfen sich in letzter Zeit immer öfter üble Worte an den Kopf. Er
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fühlte sich ihren Vorwürfen immer weniger gewachsen. Sie hatte ja mehr als Recht. Längst schon hätten sie ein Kind haben sollen, das dereinst den Thron erringen mochte, wenn dies ihnen versagt blieb. Doch eine Schwangerschaft der Geliebten erschien ihm angesichts aller bevorstehenden Strapazen und Unwägbarkeiten zu gefährlich für Yeza. Erbitterte Feinde gab es in Hülle und Fülle, die ihnen nach dem Leben trachteten. Und das wollte die Trotzige nicht einsehen. Im Gegenteil - ihr Fordern wurde immer aggressiver, der Ton immer beleidigender. Und genau das bewirkte sein >Versagern. Er hätte es sich als Schwäche ausgelegt, wenn er zu diesem Zeitpunkt Yeza zu Gefallen gewesen wäre. Doch wie sie jetzt so dalag und ihm ihr vertrautes, schwesterliches Hinterteil entgegenstreckte, war er bereit, alle Bedenken über Bord zu werfen. Doch Yeza schlief bereits, und er wollte sie nicht wecken.
Die große Fledermaus musste dicht über den Teppich hinweggestrichen sein, er vermeinte ihren Schatten im Mondlicht gegen die schnell ziehenden Wolken des Nachthimmels deutlich gesehen zu haben. Rog starrte angestrengt in die sich verschiebenden Wolkenbänke, die immer wieder die Mondsichel verdeckten. Irgendwann fiel auch er in tiefen Schlummer.
ES WAR SCHON SPÄT IN DER NACHT, als es dem französischen Gesandten gestattet wurde, sich
zurückzuziehen, wobei der Il-Khan es nicht daran mangeln ließ, den Bretonen zum noch längeren Bleiben zu bewegen. Diese Gunstbezeigung Hulagus war durchaus ehrlich gemeint. Der alte Kitbogha begleitete den Gast bis vor den herrscherlichen Pavillon und überzeugte sich persönlich, dass Yves von geeigneten Dienern in Empfang genommen wurde, damit sie ihn zu seinem Quartier begleiteten.
Als man Yves in seinem Zelt das Licht entzündet hatte, entdeckte der Bretone mit scharfem Blick das Schuhwerk eines jungen Mannes, das unter einem Wandteppich hervorlugte. Der Bretone wartete, bis die Diener sich entfernt
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