Der Kelim der Prinzessin
Der verwirrte Baitschu ließ sich, unerfüllt in seinem Sehnen und erschöpft zugleich, rücklings auf den Kleiderhaufen niederfallen. Mit kunstvoller Langsamkeit, in der Magie ihrer Erscheinung einer archaischen Gottheit gleich, stieg das Weib aus dem Wasser und kam über ihn ...
»Bleib bei mir«, bettelte Alais, die nach dem Sturm ihren Kopf auf seine Brust gebettet hatte, doch Baitschu dachte längst wieder an seine Pflichten. Traurig entließ ihn die junge Zofe, die sich jetzt ebenfalls daran erinnerte, dass ihre Herrin sich Sorgen machen könnte.
Baitschu setzte Alais allein auf das Pferd, das er am Zügel zurück ins Lager führte. Weit vor Yezas Jurte trennten sie sich mit einem verstohlen zärtlichen Händedruck. Baitschu begab sich zu Khazar, wo er auch William von Roebruk vorfand.
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Aus der Chronik des William von Koebr uk
Gerade hatten wir uns für die kommende Nacht eingerichtet - die Wachen waren eingeteilt -, als aus dem Nichts ein Reiter erschien und geradewegs auf uns zuhielt. Ich erkannte ihn sofort, denn die Wachen hatten mich herbeigeholt, weil er Yeza zu sprechen begehrte. Es war Terez de Foix, den ich eigentlich mit dem Trencavel vermutete, doch beides behielt ich erst mal für mich. Inzwischen hatte man auch Khazar benachrichtigt, und der forderte mich auf, den fremden Ritter zu befragen, was er von der Prinzessin wolle. Terez, der seinerseits ebenfalls nicht zu erkennen gab, dass er mich kannte, bestand darauf, dass er Yeza in Person zu sehen wünsche, um ihr nur unter vier Augen seine Nachricht anzuvertrauen. Khazar hatte bereits einen Boten zur Jurte der Prinzessin geschickt, und der kam, begleitet von Baitschu, auch sehr schnell zurück: Yeza lege keinen Wert auf die Begegnung mit dem Herrn - wenn er etwas mitzuteilen habe, dann könne er es William sagen. Der Graf von Foix schüttelte enttäuscht den Kopf, sah mich mit merkwürdiger Trauer etwas zu lange an und wendete wortlos sein Pferd. Er ritt in den Abend hinein, geradewegs auf Baalbek zu.
Das erschien Khazar nun doch äußerst befremdlich, denn hatte nicht die Prinzessin darauf gedrängt, gerade dort, an diesem verwunschenen Ort, das Nachtlager aufzuschlagen? Er schickte seine besten Späher unauffällig hinter dem ohne Hast Davonreitenden her. Ich begab mich zurück zu unserem Schlafplatz, einem Zelt neben dem Karren mit der Jurte. Yeza erwartete mich mit einer gewissen Spannung.
»Warum wolltet Ihr Terez nicht anhören? «, fragte ich, der Vorwurf war deutlich.
»Weil der Trencavel, wenn er etwas von mir will, sich gefälligst selbst herbemühen kann!«
Ich war nicht weniger verärgert als sie, allerdings über ihren Dickkopf. »Und wenn Roc verhindert ist, seiner Freiheit beraubt
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oder gar in höchster Not oder Todesgefahr?!«, hielt ich ihr empört entgegen.
»Dann hätte der Foix nicht gezögert, es Euch zu sagen!« Das sah ich ein. »Aber warum macht sich dann der Graf die Mühe des Weges, nur um Euch und nur Euch zu sprechen?!«, gab ich meine Überlegungen preis. »Es könnte sich ja auch um Eure Person handeln und nicht um den Trencavel?«
Yeza sah mich nachdenklich an. »Was soll mir noch zustoßen, von dem ich nichts weiß«, sagte sie bitter.
»Schaha ist mir gewiss wie das abschließende Amen in den Gebeten deiner Kirche, William!«
Gegen Mitternacht kehrten abgehetzt die von Khazar ausgesandten Späher zurück. Sie hatten sich anfangs zurückhalten müssen, weil die Dunkelheit noch nicht ausreichend war. Dann aber konnten sie sich ungehindert an die Tempelruinen anschleichen. Was sie dort sahen und vor allem hörten, verblüffte sie. Inmitten des Areals hatte eine Reisegesellschaft von anscheinend reichen Kaufleuten und einer Hand voll Rittern eine Art Wagenburg gebildet, die sie mithilfe ihrer Knechte und Diener erbittert gegen aus dem Dunkel immer wieder anstürmende räuberische Beduinen verteidigten. Geschickt hatten die Reisenden dafür den höchstgelegenen Tempel einbezogen, dessen mächtige Granitsäulen praktisch den äußersten Ring der gut organisierten Abwehr gegen ihre Feinde bildeten. Wie Wespen, die einen saftigen Braten gerochen, seien die Räuber ohne Unterlass, aber offensichtlich bar jeder militärischen Führung, wild und wirr gegen diese Barrieren angebrandet. Erschwert würden diese Angriffe aus dem Dunkeln der Nacht zusätzlich durch den hellen Schein brennender Holzstöße, die von den Eingeschlossenen rund um den Tempel aufgetürmt worden waren und die sie durch
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