Der Kelim der Prinzessin
lag. So war mir dann auch entgangen, ob und wann der ägyptische Agent wieder von Bord gegangen war. Im ersten Licht des sich ankündigenden Tages machte sich allerdings Unruhe an Deck bemerkbar: Ein Körper wurde - in weißes Totenlaken gehüllt - auf einer Bahre über die Reling gehoben und herbeigeeilten Templersergeanten übergeben. Sie trugen die Leiche hastig hinüber zur Burg. Ihrer Neugier verdankte ich den Blick, den ich auf sie werfen konnte. Grad' unterhalb des schmalen Sehschlitzes, einer Schießscharte, mit der mein Versteck versehen war, schlug einer der Sergeanten das verhüllende Laken zurück, und ich starrte in das wachsbleiche Antlitz von Madulain, Prinzessin der Saratz, Weib meines Freundes, des Roten Falken -und flüchtige Geliebte eines blutjungen Franziskaners - vor langer, langer Zeit! Die Erinnerungen übermannten mich stärker als der anfängliche Schreck - zumal das Gesicht dieser so zärtlichen wie energischen jungen Frau im Widerschein der flackernden Fackeln immer noch zu leben und zu atmen schien. Ihr Tod traf mich auch nicht unerwartet, er bestätigte mir meine Befürchtungen, dass auch der Rote Falke nicht mehr unter den Lebenden weilte. Konsequent wie die Saratz Zeit ihres wilden Lebens stets gehandelt hatte, war ihm Madulain in den Tod gefolgt! - Als ich mich wieder traute, nochmals hinabzuschauen, war die Bahre schon in der Burg verschwunden.
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DER KNABE BAITSCHU fühlte sich wenig glücklich in seiner Haut. Nicht weil er jetzt unter Eskorte zu seinem Vater Kitbogha, dem Oberkommandierenden der gesamten mongolischen Streitkräfte, in Syrien zurückgeschafft wurde - er hatte sich schließlich nichts vorzuwerfen -, sondern weil er einsehen musste, dass mit dieser kaum halben Hundertschaft, die der General Sundchak für seine Heimschaffung abgestellt hatte, sich kein Überfall auf die Burg Beau-fort bewerkstelligen ließ. Wahrscheinlich hätten die Krieger, die sich sowieso schon um die beuteträchtige Eroberung von Sidon gebracht sahen, sich auch geweigert, ihm zu Gefallen den Umweg über Beaufort zu nehmen, wo es nichts zu holen gab. Baitschu jedoch lag daran, unbedingt den von ihm verehrten Trencavel samt seinen Gefährten dort aus der Gefangenschaft des Schurken Julian zu befreien - am liebsten diesen feigen Mörder auch gleich hart zu bestrafen, nachdem Sundchak nicht begreifen wollte, dass dort auf Beaufort der wahre Übeltäter saß und sich womöglich ins Fäustchen lachte, dass die Mongolen jetzt auf die Templer von Sidon losgingen -
Die fixe Idee, der Ritterorden vom Tempel zu Jerusalem sei der böse Feind, den es gnadenlos zu vernichten galt
- ähnlich wie die Mongolen schon auf brutalste Weise mit den Assassinen verfahren waren -, hatte der General Sundchak seinen Kriegern schon gleich nach dem Ausrücken aus Damaskus eingebläut: Keine Gefangenen!
Jeder Ordensritter, dessen sie habhaft würden, sei auf der Stelle niederzumachen! Dieser Sundchak war Fleischerhund und Schlächter in einem, da hatte die Prinzessin Yeza völlig Recht, aber leider - bedauerte der Knabe Baitschu - hatte sein Herr Vater eine unerklärliche Schwäche für diesen stiernackigen Klotz, er schätzte seine Treue - wahrscheinlicher war aber, dass Kitbogha sich selbst die Hände nicht besudeln mochte, während Sundchak die seinen mit Wonne bis zu den Ärmeln ins Blut seiner Feinde tauchte.
Baitschu haderte noch mit der Ungerechtigkeit des Schicksals, des seinen im Besonderen, als plötzlich die Reiter hinter ihm ein wildes Geschrei erhoben und seitlich den Felshang hinaufgaloppier-431
ten, als hätten sie einen saftigen Braten entdeckt, eine Berggazelle oder gar einen Hirsch! Baitschu sah vom Weg aus zwischen den Steinen nur das Huschen eines weißen Gewands, er kam nicht dazu, den Flüchtigen zu Gesicht zu bekommen. Schon hatten die vordersten ihre Bögen hochgerissen, die Pfeile selbst bei diesem schwierigen Ritt über Stock und Stein aufgelegt - und ohne Zögern abgeschossen. Ihre Beute stürzte stumm aus den Klippen und rollte über den steilen Geröllhang, bis sie über den Köpfen der auf dem Saumpfad Harrenden liegen blieb: ein Templer! Rot leuchtete das Tatzenkreuz auf seiner Brust, verbreitete sich schnell zu einem riesigen Blutfleck, denn zwei, drei Pfeile staken dort, wo eben noch das Herz schlug! Entsetzt starrte Baitschu in das bleiche Gesicht von David, dem stillen einarmigen Templer, den er in der Sicherheit der Zisterne bei den anderen Gefangenen wähnte.
Wütend sprang
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