Der Kelim der Prinzessin
sogleich entdeckte. Der größte Schreck traf jedoch den Bretonen, denn der spindeldürre Derwisch, der auf dem vordersten Kamel ritt, war kein anderer als Jalal al-Sufi, den Yves in Palmyra bereits als glühenden Verehrer der Prinzessin erlebt hatte und der damals schon übel genommen hatte, dass Yves ihnen die Königin entführte. Mit kleinem Aufschrei des Entsetzens rutschte der kleine Derwisch von seinem Tier.
»Oh, mein Geliebter!«, rief er und stürzte zu der Liegenden. »Hast du sie zu dir genommen?«
Yves hielt ihn davon ab, sich neben Yeza niederzuwerfen. »Die Prinzessin ist nicht tot«, beruhigte er den aufgeregten Jalal, »die Prinzessin schläft einen heilsamen Schlaf!« Mit diesen Worten führte der Bretone den Derwisch zurück zu seiner Karawane. »Was transportiert Ihr da?«, fragte er beiläufig und besah sich verwundert die gewaltige Teppichrolle. Ein plötzlicher Argwohn stieg in ihm auf. »Der Kelim?«
Jalal al-Sufi nickte eifrig und lächelte. »Meine Freunde«, er wies auf die ihn begleitenden Beduinen, »haben ihn bei Baalbek gefunden - blutbefleckt und herrenlos! Sie hörten dann von den Leuten, er sei ein Gastgeschenk für den Il-Khan der Mongolen -«
Yves schaute dem Kleinen streng in das heitere Gesicht. »Hat man ihnen auch gesagt, dass tausend böse djinn in ihm wohnen und er Unheil bringt?!«
Das brachte den Derwisch erst recht zum Lachen. »Deswegen tragen wir ihn jetzt zu den Mongolen, damit diese ungläubigen Invasoren unseres Landes den Fluch der Übel bewirkenden Geister endlich zu spüren bekommen!«
Der Bretone wusste nicht recht, ob er nun selbst an die Zauberkräfte des Teppichs glauben oder das ganze Gerede als schlichten Humbug abtun sollte. Er drohte dem Derwisch mit erhobenem Finger. »Macht, dass Ihr weiterkommt, bevor die Prinzessin erwacht! Ich möchte ihr den Anblick ersparen - «
Beleidigt kletterte Jalal al-Sufi auf sein Kamel, und die Karawane setzte sich wieder in Bewegung. Kaum war sie entschwunden, drängten die Templer ebenfalls zum Aufbruch. Die Prinzessin
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wurde - immer noch totenähnlich schlafend - wieder in die Kissen ihrer Sänfte gebettet, und der Zug trat den mühseligen Weg durch das Gebirge an, in Richtung der Templerburg Safed, die das Jordantal in der Höhe der Jakobsfurt bewachte.
DIE MAMELUCKEN hatten ihr gewaltiges Heer zügig durch die Sanddünen der Bucht von Haifa nach Akkon geführt. Damit befanden sie sich bereits auf ungefähr gleicher Höhe mit den Mongolen, von denen ihre Gegner nun erwarteten, dass sie sich - nach Überquerung des Jordan -jetzt zum See Genezareth hinabbewegten. Doch die Kenntnis eines solchen Schritts würde einzig den Mamelucken vorbehalten sein, die in ihrer vorgeschobenen Position nichts zu befürchten hatten, standen sie doch mit ihrer Flotte übers offene Meer in steter Verbindung und hatten mit Akkon eine ihnen nicht feindlich gesonnene Stadt im Rücken. Die Mongolen hingegen waren von allen Nachrichten abgeschnitten, ihre Späher hatten noch keine Witterung des Gegners aufnehmen können.
Die Vorhut des ägyptischen Heeres, unter dem Kommando des Emir Baibars, hatte das Lager für die
Hauptmacht, die Sultan Qutuz persönlich heranführte, vor den Mauern von Akkon in den Obsthainen vorbereitet.
Der Bailli der Königin lud - in Absprache mit den Großmeistern der Ritterorden - Baibars und sein Gefolge ein, die Stadt als Ehrengäste zu besuchen. Sie wurden zwar nicht herumgeführt, man gab ihnen ein Bankett, aber die Eindrücke reichten - für einen fähigen Heerführer wie Baibars allemal -, sich ein Bild vom Zustand der Festungswerke und deren Bemannung zu machen. Als die Mameluckenemire in ihr Lager vor der Stadt
zurückkehrten, war inzwischen der Sultan eingetroffen. Baibars eilte, ihn zu begrüßen, und berichtete sofort ausführlich über die Lage der Stadt und die dort angetroffenen Möglichkeiten, sie zu verteidigen, die er als außerordentlich gering einschätzte. Vertraulich ließ er Qutuz wissen, dass es für die Mamelucken keinerlei Problem darstellen würde, die Mauern in einem Überrumpelungsangriff zu überrennen, doch der Sultan wies ein solches Ansinnen
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scharf zurück, nicht so sehr ob seiner Unehrenhaftigkeit, sondern weil er mit einem derartigen Wortbruch sämtliche christlichen Barone und die Ritterorden allemal auf einen Schlag ins Lager der Mongolen treiben würde. Solange dieser Feind noch unbesiegt sei, könnte eine solche Allianz, die Ägypten bisher erfolgreich
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